Full text: [[Teil 2], Bd. 3, [Schülerbd.]] ([Teil 2], Bd. 3, [Schülerbd.])

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IV. Aus der weiten Welt. 
Weg vom Schlosse hinunter. Die Türken hingegen galoppieren einen 
jähen Abhang mit scharfem Geröll hinab, wie wir eine Sandhöhe .hinan; 
die dünnen, ringförmigen, kalt geschmiedeten Eisen schützen den Huf 
vor jeder Beschädigung, und die Pferde, an solche Ritte gewöhnt, machen 
keinen falschen Tritt. Am Ausgange des Ortes haben die Agas den 
Scheich beinahe schon ereilt; aber jetzt sind sie in der Ebene, der 
Araber ist in seinem Elemente und jagt fort in gerader Richtung; denn 
hier hemmen weder Gräben noch Hecken, weder Flüsse noch Berge 
seinen Lauf. Wie einem geübten Jockei, der beim Rennen führt, kommt 
es dem Scheich darauf an, nicht so schnell, sondern so langsam wie 
möglich zu reiten. Indem er beständig nach seinen Verfolgern umblickt, 
hält er sich auf Schußweite von ihnen entfernt; dringen sie auf ihn ein, 
so beschleunigt er seine Bewegung; bleiben sie zurück, so verkürzt er 
die Gangart des Tieres; halten sie an, so reitet er Schritt. In dieser 
Art geht die Jagd fort, bis die glühende Sonnenscheibe sich gegen 
Abend senkt; da erst nimmt er alle Kräfte seines Rosses in Anspruch; 
er lehnt sich vornüber, stößt die Fersen in die Flanken des Tieres und 
schießt mit einem lauten „Jallah“ davon. Der feste Rasen erdröhnt 
unter dem Stampfen der kräftigen Hufe, und bald zeigt nur noch eine 
Staubwolke den Verfolgern die Richtung an, in welcher der Araber 
entfloh. 
Hier, wo die Sonnenscheibe fast senkrecht zum Horizont hinab¬ 
steigt, ist die Dämmerung äußerst kurz, und bald verdeckt die Nacht 
jede Spur des Flüchtlings. Die Türken, ohne Lebensmittel für sich, 
ohne Wasser für ihre Pferde, finden sich wohl zwölf oder fünfzehn 
Stunden von ihrer Heimat entfernt in einer ihnen ganz unbekannten 
Gegend. Was war zu tun, als umzukehren und dem erzürnten Herrn 
die unwillkommene Botschaft zu bringen, daß Roß und Reiter und Geld 
verloren seien! Erst am dritten Abend treffen sie, halb tot vor Er¬ 
schöpfung und Hunger, mit Pferden, die sich kaum noch schleppen, in 
Mardin wieder ein; ihnen bleibt nur der traurige Trost, über dieses 
neue Beispiel von Treulosigkeit eines Arabers zu schimpfen, wobei sie 
jedoch genötigt sind, dem Pferde des Verräters alle Gerechtigkeit 
widerfahren zu lassen und einzugestehen, daß ein solches Tier nicht 
leicht zu teuer bezahlt werden kann. 
Am folgenden Morgen, als eben der Imam zum Frühgebet ruft, 
hört der Pascha Hufschlag unter seinen Fenstern, und in den Hof reitet 
ganz harmlos unser Scheich. „Sidi!“ ruft er hinauf, „Herr! willst du 
dein Geld oder mein Pferd?-' 
Helmut von Moltke.
	        
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