König sagte: „Das sieht ja sehr kriegerisch aus, da werden wir
wohl drei Armeekorps sogleich mobil machen müssen.“ Bismarck
sagte: „Majestät, das wird nicht reichen, die Franzosen mobili¬
sieren jetzt schon ihre ganze Armee.“ Der König befahl darauf
Bismarck eine nochmalige Verlesung der ganzen Depesche. „Aber
das ist ja die Kriegserklärung,“ rief er jetzt in tiefer Bewegung,
„also wirklich, noch einmal ein solcher Krieg?“ „Es ist wahr,“
sagte er darauf, „es ist der Krieg; nun denn, so sei es, in Gottes
Namen.“ Der Kronprinz wandte sich zu den hinter ihm stehenden
Offizieren mit dem Rufe: „Krieg! Mobil!“ worauf ihn der König
unter Tränen lebhaft umarmte.
Die Kunde flog rasch hinaus zu den draußen harrenden
Menschenmassen, und ein gewaltiges Hurra aus viel tausend Kehlen
antwortete, daß die Fensterscheiben zitterten, und pflanzte sich
fort auf den Platz und durch alle Straßen, durch die der König
zu seinem Palaste fuhr. Auch hier drängte sich die Volksmenge,
hochrufend und das „Heil dir im Siegerkranz“ singend. Nachdem
der König sich mehrere Male am Fenster gezeigt hatte, erschien
gegen 11 Uhr ein Offizier auf der Rampe: „Se. Majestät halten
Kriegsrat und lassen um Ruhe bitten.“ Sofort ertönte es drunten:
„Der König will Ruhe haben,“ und in zwei Minuten waren die
Massen wie weggekehrt, und der weite Platz lag in stiller Ein¬
samkeit. Noch in der Nacht gingen dann die Befehle zur
Mobilmachung hinaus an die Truppen und die entsprechenden
Depeschen an die süddeutschen Verbündeten.
Am folgenden Morgen las man in allen Städten und Dörfern
Norddeutschlands den Anschlag: „Alles einziehen, auch Garde
und dritte Augmentation, erster Tag der Mobilmachung 16. Juli.“
In raschem Zuge verbreitete sich der Ruf zu den Waffen bis in
die entlegensten Gehöfte; er erging an die Bewohner der reichsten
Paläste und der ärmsten Hütten, und überall regte er den gleichen
mutigen Aufschwung an. Von dem deutschen Volk im ganzen gilt,
was wir früher einmal von den preußischen Königen bemerkten:
es ist ein kriegsstarkes, aber kein kriegslustiges Geschlecht. Hier
war keine Rede von europäischem Übergewicht und noch weniger
eine Spur von Angriffsgedanken gegen den Nachbar im Westen ge¬
wesen. Man freute sich des hoffnungsvollen, friedlichen Daseins;
man wollte die Erträgnisse des gedeihlich lohnenden Wirkens ge¬
nießen; man wünschte nach Goethes Spruch zu leben: „Tages
Arbeit, abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste.“ Plötzlich