Full text: Haus und Welt II (Bd. 7, [Schülerbd.])

König sagte: „Das sieht ja sehr kriegerisch aus, da werden wir 
wohl drei Armeekorps sogleich mobil machen müssen.“ Bismarck 
sagte: „Majestät, das wird nicht reichen, die Franzosen mobili¬ 
sieren jetzt schon ihre ganze Armee.“ Der König befahl darauf 
Bismarck eine nochmalige Verlesung der ganzen Depesche. „Aber 
das ist ja die Kriegserklärung,“ rief er jetzt in tiefer Bewegung, 
„also wirklich, noch einmal ein solcher Krieg?“ „Es ist wahr,“ 
sagte er darauf, „es ist der Krieg; nun denn, so sei es, in Gottes 
Namen.“ Der Kronprinz wandte sich zu den hinter ihm stehenden 
Offizieren mit dem Rufe: „Krieg! Mobil!“ worauf ihn der König 
unter Tränen lebhaft umarmte. 
Die Kunde flog rasch hinaus zu den draußen harrenden 
Menschenmassen, und ein gewaltiges Hurra aus viel tausend Kehlen 
antwortete, daß die Fensterscheiben zitterten, und pflanzte sich 
fort auf den Platz und durch alle Straßen, durch die der König 
zu seinem Palaste fuhr. Auch hier drängte sich die Volksmenge, 
hochrufend und das „Heil dir im Siegerkranz“ singend. Nachdem 
der König sich mehrere Male am Fenster gezeigt hatte, erschien 
gegen 11 Uhr ein Offizier auf der Rampe: „Se. Majestät halten 
Kriegsrat und lassen um Ruhe bitten.“ Sofort ertönte es drunten: 
„Der König will Ruhe haben,“ und in zwei Minuten waren die 
Massen wie weggekehrt, und der weite Platz lag in stiller Ein¬ 
samkeit. Noch in der Nacht gingen dann die Befehle zur 
Mobilmachung hinaus an die Truppen und die entsprechenden 
Depeschen an die süddeutschen Verbündeten. 
Am folgenden Morgen las man in allen Städten und Dörfern 
Norddeutschlands den Anschlag: „Alles einziehen, auch Garde 
und dritte Augmentation, erster Tag der Mobilmachung 16. Juli.“ 
In raschem Zuge verbreitete sich der Ruf zu den Waffen bis in 
die entlegensten Gehöfte; er erging an die Bewohner der reichsten 
Paläste und der ärmsten Hütten, und überall regte er den gleichen 
mutigen Aufschwung an. Von dem deutschen Volk im ganzen gilt, 
was wir früher einmal von den preußischen Königen bemerkten: 
es ist ein kriegsstarkes, aber kein kriegslustiges Geschlecht. Hier 
war keine Rede von europäischem Übergewicht und noch weniger 
eine Spur von Angriffsgedanken gegen den Nachbar im Westen ge¬ 
wesen. Man freute sich des hoffnungsvollen, friedlichen Daseins; 
man wollte die Erträgnisse des gedeihlich lohnenden Wirkens ge¬ 
nießen; man wünschte nach Goethes Spruch zu leben: „Tages 
Arbeit, abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste.“ Plötzlich
	        
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