Full text: Lehrbuch der Geographie für die mittleren und oberen Klassen höherer Bildungsanstalten sowie zum Selbststudium

§. 94. Bertlcale ©Ktbetung und Bewässerung. 
321 
verödet, z. B. St. Valery, westlich von Dieppe, von wo aus 
Wilhelm der Eroberer nach England gieng. Dieppe selbst hat fast 
nur noch Küstenverkehr. 
Jenseits der Marschen an der Somme, wo Abbeville die Grenze 
der Seeschiffahrt bezeichnet, beginnt die Dünenkette, welche theilweise zu 
Inseln zerbrochen, die Süd- und Südostküste der Nordsee bis zur Nord- 
spitze von Jütland umsäumt. Auch hier haben sie die Häfen verschüttet 
oder landeinwärts wandernd die Fluren verheert. So hat z. B. Wissant 
in der Nähe des Cap Gris Nez, in den französisch-englichen Kriegen 
des Mittelalters viel genannt, seinen Hafen gänzlich verloren. Bou- 
logne und Calais sind auf dieser Strecke die einzigen Häfen, beide 
aber für die großen Kriegsschiffe der Gegenwart nicht zugängig, so 
daß Frankreich mithin an seiner gesammten Canalküste nur einen KriegS- 
hafen besitzt und dadurch gegen England in großem Nachtheil steht. 
Die hohe Blüthe, deren sich beide Städte erfteuen, verdanken sie ledig¬ 
lich ihrer Lage an der schmälsten Stelle (5 Meilen) des Canals. — So 
sehen wir also, wie einerseits Frankreich zwar auf das Meer hingewiesen 
ist, andererseits aber an den meisten Stellen sich erst Häfen schaffen mußte 
oder nur mit ungeheuren Anstrengungen die einmal vorhandenen erhalten 
kann. Daher hat das Land nie bedeutendes in der Seeschiffahrt ge¬ 
leistet, und während im benachbarten England die Flotte ein wahrhaft 
nationales, mit Stolz und Lust gepflegtes Institut ist, wird sie in Frank¬ 
reich mehr als ein Gegenstand politischer Nothwendigkeit angesehen. 
Vcrlicale Gliederung und Bewässerung. Ehe wir § 
die Bodengestaltung des eigentlich französischen Landes näher betrachten, 
wollen wir die fast ununterbrochene Gebirgsmauer näher kennen lernen, 
welche das Land von seinen östlichen Nachbaren trennt. Zwischen 
Italien und Frankreich thürmt sich der Grenzwall des westlichen 
Alpenflügels bis zum Montblanc hinauf und senkt sich steil.und 
ohne Vorbcrgc nach Italien hinab, während nach dem Rhonegebiete hin 
zahlreich ausgesandte Beste das Gebirge gliedern und zur Ansammlung 
größerer Flüsse mit weiteren Thälern Veranlassung geben. Daher sind 
die Alpen von dieser Seite her leichter zu überschreiten als von Italien 
aus. Hannibal z. B. überschritt das Gebirge von der Rhone aus schon 
im Jahre 218; die Römer aber haben erst zur Zeit Cäsars und Augustus 
die Alpenpassagen benutzt und begnügten sich bis dahin mit der Küsten¬ 
straße (via Aurelia) von Nicaea nach Massilia. Niemals hat später 
Italien über die Alpen» Hebelgriffe ins gallische Land zu machen versucht, 
wohl aber ist, wie einst im Alterthume die Gallier, so das jetzige 
Königsgeschlecht des Landes vom Westen her mit seinen Eroberungen 
allmählich vorgedrungen. Im Mittelalter aber dienten die Pässe dieses 
Zuges nicht blos für den Verkehr zwischen Westen und Osten; sondern 
da die Pässe der Schweiz, namentlich der St. Gotthart, noch nicht auf¬ 
geschlossen waren, so gieng auch der Gesammtverkehr von dem westlichen 
Deutschland bis zur Elbe hin nach Italien durch das burgundische Land 
und über diese Alpenpässe. Sie, so wie der Besitz von Burgund waren 
Gut he, Schulgeographie. ZI
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.