Full text: Gedichtsammlung für Lehrerseminare (Teil 4, [Schülerband])

Annette von Droste-Hülshoff. 
279 
3. Dann beugt sie tief hinab; 
Sie horcht und horcht und lauscht: 
Vom Wehre tost es herab, 
Vom Forste drunten es rauscht. 
-t. War das ein Fußtritt? nein! 
Der Hirsch setzt über die illuft. 
Sollt' ein Signal das sein? 
Doch nein, der Auerhahn ruft. 
ö. „O mein Erlöser, mein Hort! 
Ich bin mit Sünden beschwert, 
Sei gnädig und nimm mich fort, 
Eh' heim mein Gatte gekehrt! 
6. Ach, wen der Böse umgarnt, 
Dem alle Kraft er bricht! 
Doch hab' ich ja nur gewarnt, 
Verraten, verraten ja nicht! 
7. Weh! das sind Nossestritte!" 
Sie sah sie fliegen durchs Tal 
Mit wildem, grimmigem Ritte; 
Sie sah auch ihren Gemahl. 
8. Sie sah ihn dräuen genau, 
Sie sah ihn ballen die Hand; 
Da sanken die Knie der Frau, 
Da rollte sie über den Rand. 
«Und als,zumSchlimmen entschlossen, 
Der Graf sprengt' in das Tor, 
Kam Blut entgegengeflossen, 
Drang unterm Gitter hervor. 
10. Und als er die Hände sah falten 
Sein Weib in letzter Not, 
Da konnt' er den Zorn nicht halten, 
Bleich ward sein Gesicht so rot. 
11. „Weib, das denTodsich erkor!"— 
„'s war nicht mein Wille," sie sprach, 
Noch eben bracht' sie's hervor. 
„Weib, das seine Schwüre brach!" 
12. Wie Abendlüfte verwehen, 
Noch einmal haucht' sie ihn an: 
„Es mußt' eine Sünde geschehen — 
Ich hab' sie für dich getan!" 
Ges. Schriften, Tl. I (Lyrische Gedichte), S. 257 ff. 
195. Die Vendetta. 
1. 
1. Ja, einen Feind hat der Kors', 
den Hund, 
Luigi, den hagern Podesta, 
Der den Ohm so stark und gesund 
Ließ henken, den kühnen di Vesta. 
Er und der rote Franzose Iocliffe, 
Die beiden machten ihn hangen, 
Aber der aing zu dem Schmuggler¬ 
schiff 
Und liegt seit Monden gefangen. 
2. Steht im Walde Eeronimo, 
Und klirrend zieht aus der Scheide 
Er das Messer, so und so 
An der Sohle wetzt er die Schneide; 
Gleitet dann in die Dämmerung, 
Dem Feinde auf Tod und Leben 
Mit des Tieres Verstümmelung 
Ein korsisch Kartell zu geben. 
I. Schau! wie Zweig an Zweige er 
streicht, 
— Kaum flüsternd die Blätter 
schwanken — 
Gleich der gleißenden Boa leicht 
Hinquillt durch Gelaub und Ranken; 
Drüber träufelt das Mondenlicht, 
Wie heimlicher Träne Klage 
Durch eine dunkele Wimper bricht. 
Nun kniet der Korse am Hage.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.