Full text: [[3] = Oberstufe, [Schülerbd.]] ([3] = Oberstufe, [Schülerbd.])

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Nachts wie er schlief, sandte ihm Clingsor von neuem seinen Teufel, 
daß er ihn prüfen sollte, ob er ein Gelehrter oder ein Laie wäre; 
Wolfram aber war bloß gelehrt in Gottes Wort, einfältig und 
andrer Künste unerfahren. Da sang ihm der Teufel von den 
Sternen des Himmels und legte ihm Fragen vor, die der Meister 
nicht aufzulösen vermochte; und als er nun schwieg, lachte der Teufel 
laut und schrieb mit seinem Finger in die steinerne Wand, als ob 
sie ein weicher Teich gewesen wäre: „Wolfram, du bist ein Laie 
Schnipfenschnapf!“ Darauf entwich der Teufel, die Schrift aber 
blieb in der Wand stehen. Weil jedoch viele Leute kamen, die das 
Wunder sehen wollten, verdroß es den Hauswirt, ließ den Stein 
aus der Mauer brechen und in die Horsel werfen. Clingsor aber, 
nachdem er dieses ausgerichtet hatte, beurlaubte sich von dem Land— 
grafen und fuhr mit Geschenken und Gaben belohnt samt seinen 
Knechten in der Decke wieder weg, wie und woher er gekommen war. 
Brüder Grimm. 
142. Priedrich Barbarossa und Leinrich 
der Löwe. 
Wãhrend Kaiser Friedrich der Rotbart in Italien gegen die 
Alleinherrschaft der Kirche kämpfte, aber ohne Erfolg, weil er 
zugleich gegen die welsche Volksfreibeit stritt, hatte Heinrich 
cder Löwe, Herzog von Sachsen, im Norden Deutschlands das 
slavische Volkstum bekriegt und dem Christentume mit dem 
Schwerte Babhn gebrochen. Er war klug, kühn und streng, 
aller Uppigkeit feind, gewaltig von Willen, eisenfest an Be— 
harrlichkeit. delten sind in Deutschland zwei solche Männer 
neben einander gewesen, wie der Löwe und der Rotbart, jeder 
an der Spitze eines reichen hochgeehrten Geschlechts, jeder 
mit ungebheurer Macht. Mie die zwei Vorfechter Deutschlands 
standen sie da, der Löwe im Norden, der Rotbart im Süden, 
jeder mit blitzgendem Schwerte. Nichts feblte dem Löwen, um 
seinem Vetter, dem Rotbart, in allen Stücken zu gleichen, als 
die schimmernde Krone auf dem Haupte; und wobl strebte er 
aueh darnach, sich im Norden ein eigenes Reich zu gründen. 
Er erzwang sich von seinem Vasallen, doem Grafen von Dolstein, 
den Besitz des wichtigen Handelsplatzes Lübeck, gab Lübeck 
Stadtrecht, Markt-, Münz- und Zollrecht dazu. Der BKaiser, 
der ibn gar hoch in Ebren hbielt, verlieh ihm das königliche 
Recht, jenseits der EIbe Bistümer zu gründen und die Bischöfe 
zu belehnen. 8So war der Löwe im deutschen Norden auf dem 
Gipfel der Macht; alle benachbarten deutschen Fürsten benei— 
deten ihn, seine Vasallen fürchteten, die Geistlichen habten ihn 
im Stillen, weil er, wiewobl er viele Kirchen und Möster reich 
begabte, die Bischöõfe blob wie seine Diener behandelte. Drum 
geschab's im Jahre 1166, vährend der Kaiser in Welschland 
war, dab viele Bischöfe, Fürsten, Grafen und edle Herren im 
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