Hauptsache war, jedermann sah ein, was der kunstreiche Fremde beabsichtigte,
und gab reichlich. Da fiel Gold und Silber in den Hut und auch Kupfer, je
nachdem das Herz und die Börse war. Der Pudel knurrte. Wars Vergnügen
oder Ärger? Er konnte den Hut nicht mehr halten, so schwer war er geworden.
„Macht ihn leer, Alter!" riefen die Leute dem Invaliden zu, „er wird noch
einmal voll!" Der Alte thats, und richtig! er mußte ihn noch einmal leeren
in den Sack, in den er die Violine zu stecken pflegte. Der Fremde stand da
mit leuchtenden Augen und spielte, daß e i n Bravo über das andere schallte.
Alle Welt war entzückt. Endlich ging der Geiger in die prächtige Melodie
des Liedes: „Gott erhalte Franz den Kaiser!" über. Alle Hüte und Mützen
flogen von den Köpfen; denn die Österreicher liebten ihren cdeln Kaiser Franz
von ganzem Herzen, und er verdiente cs auch; allgemach wurde der Volks¬
jubel so groß, daß plötzlich alle Leute das Lied sangen. Nur der Geiger
spielte in der größten Begeisterung, bis das Lied zu Ende war; dann legte er
rasch die Geige in des Glücklichen Schoß, und ehe der alte Mann ein Wort
des Dankes sagen konnte, war der Virtuose fort.
„Wer war das?" rief das Volk. — Da trat ein Herr vor und sagte:
„Ich kenne ihn sehr wohl, es war der ausgezeichnete Geiger Alexander
Boucher, welcher hier seine Kunst im Dienste der Barmherzigkeit übte. Er
lebe hoch!" „Hoch! hoch! hoch!" rief das Volk. Und der Invalide faltete
seine Hände und betete: „Herr, belohne dus ihm reichlich!"
Und ich glaube, es gab an diesem Abende zwei Glückliche mehr in Wien.
Der eine war der Invalide, der nun weithin seiner Not enthoben war; und
der andere war Boucher, dem sein Herz ein Zeugnis gab, um das man ihn
beneiden möchte.
34. Eine Bärenjagd.
In den zerrissenen ungeheuren Gebirgen, welche das Dörflein Dissentis
in den Adnlaralpen wie Cyklopenmancrn umgeben, fand im Dezember 1838
ein böser, seltsamer Bürenkampf statt. Der Jäger Johann Klemens Riedi
aus Dissentis hatte den ganzen Tag die breitsohlige Spilr eines Bären ver¬
folgt, bis er abends die letzten Fußtapfen an einer gefährlichen Felswand
verlor. Er sah, daß der Bär sich in das Revier dieser Schlucht zurückgezogen
haben mußte. Der Fels bildete dabei einen scharfen Vorsprung, hinter dem
das Tier den Jäger zu einem Kampf auf Leben und Tod erwarten mochte.
Riedi suchte es erst durch Lärm herauszulocken, und als dies nicht gelang,
näherte er sich mit vorgehaltenem gespannten Gewehre. Als er den engen,
turmhohen Felsenpfnd erreicht hatte, sah er, daß entweder der Jäger oder der
Bär auf dem Platze bleiben müsse, da für keinen eine Flucht möglich war.
Dem Felsenwinkel nahe entdeckte er ein Loch in der Felswand. Der Jäger