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81. Des Sängers Fluch.
Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
Weit glänzte es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duftigen Gärten ein blütenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.
Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.
Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
Der eine in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.
Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton;
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!
Es gilt uns heut zu rühren des Königs steinern Herz."
Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
Der König furchtbar Prächtig wie blutiger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.
Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.
Sie singen von Lenz und Liebe, von seliger, goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwllrde, von Treu und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen, was Menschenherz durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott;
Des Königs trotzige Krieger, sie beugen sich vor Gott;
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.
„Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hochauf springt.
Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarms
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm.
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bindet ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.
Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis;
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:
„Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang!