Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3)

116 
vorwirfst. Überhaupt, was nicht gehütet wird, gehört dir. Warum 
sorgen die Bauern nicht besser für ihre Felder, die ohne dich schlecht 
genug gehütet sein würden! Nur weil die Menschen und Thiere Furcht 
vor dir haben, ist die Welt ruhig. Denke dir eimnal, daß man keine 
Furcht vor dir hätte, und daß alle Thiere ohne Hirten ansgiengen. 
Sie würden alle Felder und Wälder verwüsten, und überall würde 
Hungersnoth ausbrechen. Du gehst ganz ruhig durch die Feldmark 
und hast nichts Böses im Sinne. Da fallen sie alle gleich über dich 
her, als ob dn ein Räuber wärest, greifen nach Knitteln und Waffen 
und hetzen die wüthenden Hunde aus dich. Da ist es kein Wunder, 
daß du grollend davon gehst und mit solchem Volke nicht ans fried¬ 
lichem Fuße leben kannst. Du nennst dich, wie die Frommen zu thun 
pflegen, einen Sünder; aber dn bist darum noch keiner. Deine 
Thränen zeugen dafür, daß du gut und ohne Falsch bist. Hast du 
nicht selbst gesagt, daß du einst zehn Ferkelchen von langsamem Todes¬ 
kampfe befreit hast? und ist das nicht ein frommes Werk, mit dem 
du dir den Weg zum Himmel gebahnt hast? Wer plötzlich ertrinkt, 
stirbt seliger, als wer sich erst noch lange int Wasser abquälen muß. 
Du hast die rasch erlöst, ans die ein langwieriges Hinsterben wartete, 
und hast damit alle deine Vergehen gebüßt. Damit du aber nicht 
ganz ohne Strafe ausgehst, sollst du eine Zeit lang dich bei deinen 
Mahlzeiten des Trinkens enthalten? <Jch unterwerfe mich dieser 
Strafe willig und gern,' sprach der Wolf, und der Fuchs hieß ihn 
aufstehen und warf sich statt seiner zu Boden, um zu beichten. 
<Jch bin,' sagte der Fuchs, ‘eilt Lüg er und Betrüger, gefräßig 
wie drei Bären und werde doch nicht satt. Ich strecke mich wie todt 
auf die Heide. Da kommt dann die Krähe, hüpft und springt mir 
ans Bauch und Kehle und denkt ein gutes Frühstück gefunden zu 
haben. Sie versucht meine geschlossenen Augenlider zu öffnen, um 
mir die Augen auszuhacken, oder kommt meinem Rachen, aus dem die 
Zunge lang hervorhängt, nahe. Dann springe ich auf, verschnappe 
sie und verspeise sie bis auf die Knochen. Oder ich schleiche durch 
die Dörfer, zerreiße die Hühner sammt dem Hahnen, springe ins Wasser 
und fasse mit scharfen Krallen die schwimmende Ente. Habe ich die 
Gluckhenne von einein Mandel Küchlein weggeführt, so zeigt sich der 
Hühnerhabicht, um die jammernde Brut in sein Nest zu tragen. Daun 
ergreift mich Mitleid um die Unglücklichen, die den Hof mit Klagen 
erfüllen, unb um sie den langen Gefahren, die ihnen vom Habicht 
drohen, zu entreißen, lasse ich sie eins nach dein andern in meine 
Kehle gehen. Einen Tag, an dem ich keine Schalkheit verübt habe, 
halte ich für verloren. Ich kann nicht jedes Einzelne nennen, aber 
ich empfinde Rene und will inich der Buße unterwerfen.' 
Der Wolf war erstaunt, daß der Fuchs sich für einen landkun- 
digcn Sünder ausgebe, da er doch nichts Böses gethan, was so vieler 
Worte werth sei. Wu liegst,' sagte er, <ganz schuldlos in deinem 
Ban oder durchwandclst, deiner Nahrung nachgehend, die Felder.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.