Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3)

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des Reichsoberhauptes bekannten. Vicrnndvierzig Grafen, die Spei¬ 
sen aus der Küche herantragend, zogen an mir vorbei, alle prächtig 
gekleidet, so daß der Contrast ihres Anstandes mit der Handlung für 
einen Knaben wohl sinnverwirrend sein konnte. Das Gedränge war 
nicht groß, doch wegen des kleinen Raums merklich genug. Die 
Saalthür war bewacht, indes giengen die Befugten häufig aus und 
ein. Ich erblickte einen pfälzischen Hausofficiantcn, den ich anredete, 
ob er mich nicht mit hineinbringen könne. Er besann sich nicht lange, 
gab mir eins der silbernen Gefäße, die er eben trug, welches er um 
so eher konnte, als ich sauber gekleidet war; und so gelangte ich 
denn in das Heiligthum, pfälzische Büffet stand links, un¬ 
mittelbar an der Thür, und mit einigen Schritten befand ich mich 
aus der Erhöhung desselben hinter den Schranken. 
Am andern Ende des Saals, unmittelbar an den Fenstern, 
saßen auf Thronstufen erhöht, unter Baldachinen, Kaiser und König 
in ihren Ornaten; Krone und Scepter aber lagen auf goldnen Kissen 
rückwärts in einiger Entfernung. Die drei geistlichen Kurfürsten 
hatten, ihre Büfsetc hinter sich, auf einzelnen Estraden Platz genom¬ 
men: Kur-Mainz den Majestäten gegenüber, Kur-Trier zur Rechten 
und Kur-Köln zur Linken. Dieser obere Theil des Saals war 
würdig und erfreulich anzusehen und erregte die Bemerkung, daß die 
Geistlichkeit sich so lange als möglich mit dem Herrscher halten mag. 
Dagegen ließen die zwar prächtig aufgeputzten, aber herrenleeren 
Büffele und Tische der sämmtlichen weltlichen Kurfürsten an das 
Misverhältnis denken, welches zwischen ihnen und dem Reichsobcr- 
haupt durch Jahrhunderte allmählich entstanden war. Die Gesandten 
derselben hatten sich schon entfernt, um in einem Seitenzimmer zu 
speisen; und wenn dadurch der größte Theil des Saales ein gespen- 
sterhastes Ansehen bekaur, daß so viele unsichtbare Gäste auf das 
prächtigste bedient wurden, so war eine große unbesetzte Tafel in der 
Mitte noch betrübter anzusehen: denn hier standen auch so viele Cou¬ 
verte leer, weil alle die, welche allenfalls ein Recht hatten, sich daran 
zu setzen, Anstands halber, um an dem größten Ehrentage ihrer 
Ehre nichts zu vergeben, ausblieben, wenn sie sich auch dermalen in 
der Stadt befanden. 
100. 
Der Sancrnstand. 
Von Schenkendorf. 
Gedichte. Stuttgart und Augsburg 1815. S. 75. — Stimmt!. Gedichte. Berlin 1837. 
O Bauernstand, o Bauernstand, Ein Rost, an Ritterschilden; 
Du liebster mir von allen, Zerfallen sind ün Zcitensturm 
Zum Erbtheil ist ein freies Land Die reichen Bürgergilden. 
Dir herrlich jngesallen. Du aber banst -in feste« Han«, 
Die Hoffahrt zehrt, ein böser Wurm, Die schöne grüne Erde,
	        
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