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siche in der Natur, alles, was unsere Fassungskraft übersteigt, wird
ui einer romantischen Gegend zur Quelle des Genusses. Die Phan¬
tasie übt dann das freie Spiel ihrer Schöpfungen an dem, was von
den Sinnen nicht vollständig erreicht werden kann; ihr Wirker: nimmt
kine andere Richtung bei jedem Wechsel in der Gemüthsstimmuug
des Beobachters. Getäuscht, glauben rvir von der Außenwelt zu
empfangen, was wir selbst in diese gelegt haben.
141.
Zwei Spiegel.
Von Rückert.
Weisheit deS Brahmanen 4. Aufl. Leipzig 1857. S. 9.
Iw ei Spiegel sind, worin sich selber schaut mit Wonne
Die hohe Himmels- und die höchste Geistersonne.
Ein Spiegel ist das Meer, von keinem Sturm empört,
Ein andrer das Gemüth, von keinem Drang verstört.
142.
Der Spiegel.
Von Jean Paul.
Werke. Berlin 1826-1838. l, XXI.
Cs hängt zwischen Himmel und Erde ein großer Spiegel von
Krystall, in welchen eine verborgne neue Welt ihre großen Bilder
wirft; aber nur ein unbeflecktes Kindesange nimmt sie wahr darin,
ein besudeltes Thierauge sieht nicht einmal den Spiegel.
143.
Heraus!
Von Mosen.
Gedichte 2. Ausl. Leipzig 1843. S. 105. — Werke. Oldenburg 1863. I, 79.
Rias ist das für rin Ahnen
So heimlich süß in mir?
Was ist das für ein Mahnen:
'Heraus! Heraus mit dir!
Du Träumer aus der Wintergruft,
Heraus! Heraus zur Frühlingsluft!
Heraus!'
Der rothe Finke picket
Ans Fenster wunderlich
Und blickt mich an und nicket,
Als grüßt' er freundlich mich
Und rief': Du finstres Menschenkind,
Heraus zum frischen Morgenwind!
Heraus!'
Sahst du das Hirtenknäblein,
Den Lenz, du kleiner Wicht?
Zerbrich mit deinem Schnäblein
Mir nur das Fenster nicht!
Trieb er schon ans dem Weidenhaus
Die Silberschäfchcn klein und kraus
Heraus?
Du meinst, die Fischlein springen
Am warmen Uferrand,
Wir tvollten aber singen
So frei durchs ganze Land,
Durch grünen Zaun und Blütenbnsch,
Durch Wälder und durch Auen, husch
Hinaus?