70
Von dem ersten Augenblicks wo das Netz gehoben wird, und die Tiefe
noch den Fang birgt, bis zum Augenblicke, wo der gekaperte Fisch unter
dem Messer endet, steigt die Spannung mit jeder Sekunde, und selbst die
im Anfange teilnahmlosesten Zuschauer werden allmählich hingerissen, sich
beim Bewältigen des Zuges zu beteiligen.
6. Der Thunfisch ist ein ungeschlachter, unschön gebauter Fisch, etwa
von der Gestalt eines Barsches, nur noch kürzer im Verhältnis und
dicker in seinem vorderen Teile. Selten erreicht er mehr als Mannes¬
länge; bei zunehmendem Gewichte wächst er nicht mehr, wie andere
Fische, in die Länge, sondern in die Breite, so daß, je älter und größer,
er auch um so häßlicher in seiner Gestalt wird. Er gehört der Familie
der Makrelen an und hat mit diesen die fast nackte, auf dem Bauche
silberglänzende Haut gemein, die auf dem Rücken fast schwarz ist und
auf der Seite scharfe, gekielte Schuppen wie Dachfirstziegel trägt, in
welchen die Ausführungsgänge der Schleimkanäle gebohrt sind. Auf
dem Rücken steht eine mit starken Stachelstrahlen besetzte Flosse, an welche
sich weiche Flossen und dann einzelne Federflössel schließen, welche die
Verbindung zwischen der Rückenflosse und der Schwanzflosse herstellen,
ohne indes selbst durch Haut mit einander verbunden zu sein. Der
Schwanz ist sehr dünn, aber auf beiden Seiten mit einem wagerechten
Hautsalze geziert. An seinem Ende steht die große, tief ausgeschweifte,
halbmondförmige Schwanzflosse. Die Brustflossen sind lang und spitz,
vor ihnen findet sich ein Kranz stärkerer Schuppen wie eine Art Küraß
um die Kehle. Der Kops ist nackt, der Rachen weit gespalten, mit
Bürstenzähnen besetzt.
7. Unzweifelhaft ist der Thunfisch ein arger Raubfisch, der in
Herden hinter den kleineren Fischen herzieht und selbst wieder von den
Delphinen und den größeren Haien gejagt wird. Aber int Netz ist es
ein friedfertiges, zahmes Tier — still und ergeben, das sich seinem
Schicksale überläßt, ohne durch Schwanzschläge oder verzweifelte Sprünge
sein Unbehagen kund zu thun. Wenn wir nur mit Thunfischen zu thun
hätten', sagte mir der Oberfischer, so brauchten wir wahrlich diese starken
Seile, diese aus Tauen geflochtenen Netze nicht, — den Thunfisch hält
ein Spinnwebfaden; — wenn er Widerstand spürt, geht er zurück und
schwimmt im Kreise umher, einen Ausweg zu suchen. Sie werden sehen,
fügte er hinzu, indem er in die Tiefe deutete, wenn die Herde, welche
da unten ist, heraufkommt, so werden sie sich betragen wie gebildete
Menschen in einem verschlossenen Salon, — sie werden an allen Maschen
herumschwimmen und nicht unanständige Sprünge machen und uns
unnötigerweise bespritzen. Aber da sind diese Teufel von Delphinen und
die ungeschlachten Bestien von Haien und Seekälbern; wenn uns die in
das Netz geraten, dann geht es schlimm zu. Zwar der Delphin kommt
selten herein, dazu ist er zu schlau, — wissen Sie wohl, daß das der
klügste Fisch ist, der das Netz auf tausend Schritt weit riecht? Sie
lachen? Ich sage Ihnen, der Hai ist ein dummes Vieh trotz seines großen
Maules und seiner langen Zähne, er hat nur Kraft; voriges Jahr nahm
uns einer zwanzig Meter Netzwerk mit und schleppte einen Anker bis
über den Turm hinaus, daß wir drei Tage lang nach ihm suchen
mußten, — aber der Delphin — sehen Sie, wenn der darinnen ist,