Full text: Deutsche Jugend ([Teil 5 = 6. - 8. Schulj., [Schülerbd.]])

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Kaisers Wilhelm, dessen Zimmer bis heute unbewohnt und unverändert 
geblieben sind; an dem Eckfenster des Erdgeschosses pflegte er weiß— 
haarig und kaum gebeugt zu stehen und auf sein treues Volk herabzu— 
blicken. Ist es gerade Mittagszeit, dann ist das Gedränge der Fuß— 
gänger, der prächtigen Wagen und Automobile um so größer. Da 
kommt unter munteren Musikklängen die Wachtparade anmarschiert, 
und Massen Neugieriger folgen ihr im Takt, so daß der Schutzmann 
alle Mühe hat, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Mit der Musik mar— 
schieren wir an der neuen königlichen Bibliothek vorbei, und Friedrich 
der Große blickt von seinem Bronzepferd auf die Kinder der neuen 
Zeit herab. Hier ist das Opernhaus, dort die Universität mit ihren 
zehntausend Studenten und ihrem Heer von Professoren, und weiterhin 
das Zeughaus mit seinen großen Sammlungen aus der Kriegsgeschichte. 
Wir gehen über die Schloßbrücke, die ihren Bogen über die Spree 
spannt, und folgen der Wachtparade in den „Lustgarten“. Am Fuß 
der Bildsäule Friedrich Wilhelms III. macht der Zug halt, und die 
Volksmasse steht in Haufen lauschend umher, denn jetzt folgt zum Er⸗ 
götzen der Zuhörer ein Musikstück nach dem andern. Dieses Schauspiel 
wiederholt sich Tag für Tag. 
Um den „Lustgarten“ herum liegt ein ganzes Stadtviertel von 
Kunstmuseen und Bildersälen, außerdem der Dom und das königliche 
Schloß. Sehr vornehm sieht es aus, dieses Schloß; aber die Straßen 
klemmen es gewaltig ein, und es sehnt sich vergeblich nach Freiheit und 
Luft, wie sie Stockholms Königsschloß umweht. 
88. Im Hamburger Hafen. Ilse Frapan. 
e freuten wir uns, als Onkel Steuermann sagte: „Na, wollt 
ihr 'mal mit mir auf so'n kleinen Fährdampfer nach'm 
Amerikahöft fahren? Ich hab' da zu tun.“ Wir waren 
3 gleich bereit. „Aber das ist kalt heute,“ sagte Onkel, „wir 
. haben steifen Ostwind und Eis im Hafen; gestern waren 
die Eisbrecher schon ordentlich zu Gange.“ — „Das schadet nicht! Das 
ist erst recht schön!“ schrien wir. „Na, denn man los!“ 
Im Augenblick waren wir bei den Vorsetzen. War das da ein 
Leben! Die Leute liefen, die Frachtwagen knarrten, die Pferdebahnen 
klingelten, die hohen Schornsteine der Dampfer und der Fabriken auf 
Steinwärder warfen schwarze Dampfwolken aus, die Nebelhörner und 
Sirenen der Schiffe heulten und brüllten durcheinander. Und dazu kam 
noch eine Herde Ochsen, die verladen werden sollte, mit aufgeregten
	        
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