76 I. Fabeln, Parabeln, Erzählungen und andere Stücke in Prosa.
unterhält sich der König mit dem Bauern über den Zustand des Landes,
in B der Kaiser mit dem Büblein über sein Anliegen. IV. In A reiten
König und Bauer in Paris ein; in B besucht der Kaiser die ärmliche
Wohnung der Witwe. V. In A wird der König von dem Bauern an
dem Hute auf dem Kopfe erkannt, in B der Kaiser von dem Arzte an
der Handschrift. VI. In A wird der Bauer zur königlichen Tafel ein¬
geladen, in B die arme Frau mit einer Anweisung auf das Zahlamt (die
Staatskasse) beschenkt.
4. Grundgedanke. Jn A soll durch einen heitern Scherz der
Ursprung des Sprichwortes: „Seid ihr der König oder der Bauer?"
erklärt werden. Die Überschrift will sagen: Einer oder der andere muß
König sein! In B erscheint Kaiser Joseph als wohltätiger und geschickter
Arzt, der gute Rezepte schreiben kann.
5. Eigentümlichkeiten. A ist ein gutmütiger Spaß des leut¬
seligen Königs Heinrich IV. von Frankreich, B ein rührender Zug von
der Güte Kaiser Josephs II. von Österreich. Das Ergötzliche liegt bei A
in den Worten des Bauern: „Herr, entweder seid ihr der König, oder ich
bin's!" bei B in der Verwechslung des Kaisers mit einem Arzte und
der Geldanweisung mit einem Rezepte.
Joh. Peter Hebels dichterische Eigenart.
Auf allem liegt der Sonnenschein heiteren Humors und kindlicher
Schalkhaftigkeit. (Seid ihr der König oder der Bauer? —) In allem
klopft der Puls eines innigen deutschen Gemütes. (Das fremde Kind.
Herr Charles. Der Schneider in Pensa.)
Durch genaue Kenntnis von des Volkes Seele und Sprache und
innige Anpassung an dieselben gelingt's Hebel, den volkstümlichen Stil
zu schreiben. Die Darstellung ist klar und übersichtlich durch kurze
Sätze. Treffende Vergleiche und Hervorhebung der Gegensätze
machen Neues und Fremdes klar. (Belehrungen über das Wetterglas,
das Weltgebäude usw.)
Drollige Übertreibungen geben der Darstellung einen besonderen
Reiz. (Der geheilte Patient.) Vertrauliche Anreden (Guter Freund!)
und gemütliche Zwiegespräche (Kannitverstan) schaffen einen behag¬
lichen Ton und eine gemütliche Stimmung.
Spaßhafte Irrtümer, komische Namenverdrehungen und
widersinnige Deutungen erregen die Heiterkeit. (Einer Schildwache
lächerlicher Irrtum. Die Schlafkameraden.) Durch V erpersönlichung
(Personifikation) leben und weben, reden und handeln die toten Dinge
wie Menschen. (Der Kirschbaum. Die Spinne.)
Fremdes und Fernes erscheint im heimatlichen Gewände und wird
mit heimatlichem Maße gemessen. (Die Weltbegebenheiten. König Friedrich
und sein Nachbar. Unverhofftes Wiedersehen.) B.