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diese auf ihn ein; aber mancher Harnisch wurde vom Blute rot. Da
mit einem mächtigen Satze sprang er aus dem Hause, und ob die Feinde
auch von allen Seiten auf ihn eindrangen, sie konnten ihn doch nicht
hindern, in den Saal zu gelangen, wo seine Genossen sich befanden.
Wie ein Eber vor den Hunden wich er kämpfend zurück, und blutige
Spuren bezeichneten seinen Weg. -Als er in den Saal gesprungen war,
rief er Hagen, seinem Bruder, zu: „Euch und Gott im Himmel klage
ich meine Not; alle meine Ritter und Knechte liegen erschlagen!" Da
fuhr Hagen grimmig in die Höhe, riß sein Schwert von der Seite und
schlug dem jungen Ortlieb, Kriemhildens Sohn, mit einem Hiebe den
Kopf ab, daß dieser der Mutter in den Schoß fiel. Dann wütete er
mit Volker unter den andern Hunnen. Und nun begann ein Morden
und Wehklagen durch den ganzen Saal. Mit Mühe rettete Dietrich
von Bern den König und die Königin ins Freie. Als der Kampf
drinnen ruhte, war auch nicht einer von den Hunnen mehr am Leben.
Darauf warfen die Burgunden alle Leichen aus dem Hause und
rüsteten sich zu neuem Streite, denn sie wußten wohl, daß Kriemhild
nicht eher ruhen würde, als bis sie den Tod ihrer Ritter gerächt hätte.
Diese gelobte auch, demjenigen Etzels großen Schild mit rotem Golde zu
füllen, der ihr den Hagen erschlüge. Aber keiner rührte sich. Da schalt
Volker sie alle verzagte Helden, da sie dem König Etzel nicht größere
Treue bewiesen. Nun erklärte sich der Markgraf Jring von Dänemark
bereit, den Kampf mit dem grimmen Hagen aufzunehmen. Sich mit
dem Schilde deckend, den Speer hoch emporhaltend, raunte er gegen
den Feind an. So mächtig warfen sie die Speere auf die Schilde, daß
diese zerbrachen und die Staugen hoch in die Lüste flogen, daun griffen
sie zu den Schwertern. Wohl war Hagen stark, doch so kraftvoll schlug
Jring auf ihn ein, daß das ganze Haus, Saal und Türen von den
Schlägen erdröhnten. Aber er konnte ihn nicht verwunden. Da ließ
er ihn stehen und raunte den Fiedelspieler an; aber der wehrte sich
mit dem Schilde und seinen mächtigen Hieben. Nun ließ Jring auch
von diesem ab und stürmte endlich auf Giselher ein. Der aber er¬
grimmte und hieb ihn mit gewaltigem Schwertschlag zu Boden. Doch
Jring war nicht tot; schnell sprang er auf, schlug Hagen eine klaffende
Wunde und floh dann zu den Seinigen zurück, um frische Waffen zu
holen. Jetzt aber rannte Hagen gegen ihn und stieß in hartem Kampfe
ihm eine Lanze tief in das Haupt. Jring fiel. Um seinen Tod zu
rächen, stürmten tausend Dänen und Thüringer in den Saal, aber
keinen von ihnen sah man aus demselben zurückkommen. Drinnen
herrschte die Stille des Todes, nur das Nieseln des Blutes hörte man.