Full text: [Theil 2, [Schülerbd.]] (Theil 2, [Schülerband])

Was ich wohl mag. 
Von Claudius. 
WandSbecker Bote 1775. I, 10. — Werke 1814. I, 5. 
Ich mag wohl Begraben mit ansehn, wenn so ein roth ge¬ 
weintes Auge noch einmal in die Gruft hinab blickt, oder einer 
sich so kurz umwendet und so bleich und starr sieht und nicht 
zum Weinen kommen kann. 'S pflegt mir dann wohl selbst nicht 
richtig in'n Augen zu werden, aber eigentlich bin ich doch fröhlich. 
Und warum sollt' ich auch nicht fröhlich sein; liegt er doch nun 
und hat Ruhe! Und ich bin darin 'n närrscher Kerl: wenn ich 
Weizen säen sehe, so denk' ich schon an den Erntetanz. Die Leute 
fürchten sich so vor einem Todten; weiß nicht, warum. Es ist ein 
rührender, heiliger, schöner Anblick, einer Leiche ins Gesicht zu sehen; 
aber sie muß ohne Flitterstaat sein. Die stille blasse Todesgestalt 
ist ihr Schmuck, und die Spuren der Verwesung ihr Halsgeschmeide 
und das erste Hahneugeschrei zur Auferstehung. 
141. 
Der Postillon. 
Gedichte 2. Aufl. Stuttg. u. Tüb. 1834. S. 192. - 9. Aufl. 1846. I, 192. - 1871. S. 118. 
Lieblich war die Maiennacht, 
Silberwölklein flogen. 
Ob der holden Frühlingöpracht 
Freudig hingezogen. 
Und von flinken Rossen vier 
Scholl der Hufe Schlagen, 
Die durchs blühende Revier 
Trabten mit Behagen. 
Schlummernd lagen Wies und Hain, Wald und Flur im schnellen Zug 
Jeder Pfad verlassen; 
Niemand als der Mondenschein 
Wachte auf der Straßen. 
Kaum gegrüßt — gemieden; 
Und vorbei, wie Traumesflug, 
Schwand der Dörfer Frieden. 
Leise nur das Lüftchen sprach, 
Und es zog gelinder 
Durch das stille Schlafgrmach 
All' der Frühlingskinder. 
Mitten in dem Maienglück 
Lag ein Kirchhof innen, 
Der den raschen Wanderblick 
Hielt zu ernstem Sinnen. 
Denn der Blüten Träume 
Dufteten gar wonniglich 
Durch die stillen Räume. 
Heimlich nur da« Bächlein schlich, 
Hingelehnt an Bergesrand 
War die bleiche Mauer, 
Und das Kreuzbild Gottes stand 
Hoch in stummer Trauer. 
Rauher war mein Postillon, 
Ließ die Geisel knallen, 
Über Berg und Thal davon 
Frisch sein Horn erschallen. 
Stiller jetzt und trüber; 
Und die Rosse hielt er an, 
Sah zum Kreuz hinüber: 
Schwager ritt auf seiner Bahn 
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