Full text: [Theil 2, [Schülerbd.]] (Theil 2, [Schülerband])

219 
160. 
Rudolf von Habsburg. 
Aus dem Festkalender von Pocci und Görres. 
München und Wien. Theil IN. 
Ausgebrannt vom Strahl der Sonne, 
Seufzet rings das dürre Land; 
Alle Quellen sind vertrocknet 
In dem glühendheißen Sand. 
Lechzend liegt die matte Heerde 
Auf der schattenlosen Erde. 
Weit gespalten, aufgerissen 
Ist der Boden allumher, 
Wolkenlos der ganze Himmel, 
Still die Luft und heiß und schwer, 
Und der Wald mit welkem Laube 
Steht bedeckt mit weißem Staube. 
Sieh, da reitet durch die Steppe 
Kampfgerüstet eine Schar, 
Rudolf zieht, der deutsche Kaiser, 
Wider König Ottokar. 
Von dem Durste matt und heiser, 
Ruft nach Wasser jetzt der Kaiser. 
Und zwei Ritter eilen jauchzend 
Zu dem Kaiser hin im Flug, 
Halten freudig hocherhoben 
Kühlen Wassers einen Krug, 
Und den Becher rasch ihm füllend, 
Sprechen sie, ihr Herz enthüllend: 
'Lange suchten wir nach Wasser 
Weit umher in diesem Land, 
Doch kein Tropfen war zu finden 
In dem glühendheißen Sand; 
Die vergeb'ne Müh zu enden, 
Wollten wir uns rückwärts wenden. 
'Sieh, da fanden wir im Schatten 
Ruhend eine Schnitterschar, 
Die sich, müde, laben wollte 
An dem Kruge kühl und klar. 
Weil sie selbst vom Durste litten, 
War vergebens unser Bitten. 
'Doch als unsre Schwerter drohten: 
'Gebt uns Wasser oder Blut!' 
Gaben sie uns bleich und zitternd 
Gern ihr selten theuer Gut; 
Was wir so erbeutet haben, 
Möge dich, o Kaiser, laben.' 
Als der Kaiser dies vernommen, 
Zog mit unmuthvollem Blick 
Von den glühendheißen Lippen 
Plötzlich er den Krug zurück: 
'Nimmer soll soll den Durst mir stillen, 
Was sie gaben wider Willen. 
'Bei der Ehre meiner Krone! 
Gebt zurück der Armen Gut; 
Keinen Tropfen mag ich kosten, 
Brennt wie Feuer auch mein Blut: 
Wenn beraubt die Armen dürsten, 
Ziemt zu trinken nicht den Fürsten!' 
161. 
Wie es König Rudolf in feiner fchlechten Tracht ergangen?) 
Von Christoph Lehman. 
Chronica der freien Reichsstadt Speyer. Frankfurt a. M. 160‘2. S. 633. 
Anno 1288 hat König Rudolf sein Anwesen zu Mainz ge¬ 
habt. Da eines Morgens unversehens Kälte eingefallen, daß man 
sich im Lager nicht hat erwärmen können, ist er aufgestanden, hat 
seinen grauen Rock um sich geworfen und ist in eines Bäckers Haus, 
seinem Logis gegenüber, zu einem Kohlenhaufen gelaufen, den der 
Bäcker aus dem Ofen gezogen. Die Bäckerin ist über seinen Un¬ 
gestüm zornig worden und hat ihn mit bösen Worten übel ange- 
1) Bergt. Bd. I, Nr. 1b.
	        
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