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und die Schneekoppe ist gar 1600 m hoch. Es ist bewohnt; der
Reisende trifft noch in einer Höhe von 1000 1200 m einzelne Senn—
hütten, weidendes Vieh, grasmähende Arbeiter, Kräuter- und Moossammler.
Dörfer giebts allerdings in solcher Höhe nicht, aber viele zerstreute Woh⸗—
nungen, Bauden genannt. Man zahlt deren wohl an 3000; ihre Bewoh—
ner treiben Rindvieh- und Ziegenzucht. Diese Bauden sind von Holz, auf
einer steinernen Grundlage errichtet, welche etwa 2 Meter hoch über den
Boden hervorragt. Der Eingang ist durch das überhängende Dach vor dem
Wetter geschützt; die Wohnstube mit einem großen Kachelofen, e
und Bänken aͤusgestattet, ist geräumig: daneben befindet sich eine Rammer, 10
und gegenüber, durch Hausflür und Küche getrennt, der Stall. Das Dach
ist mit Schindeln bedeckt und reicht bei den an Bergabhängen stehenden
Bauden an der Hinterseite bis auf den Boden herab; unter demselben ist
der Futtervorrat und zuweilen die Schlafstelle für einen Teil der Familie
oder der Gäste. Der Reisende findet darin eine gute Herberge.
Im Frühjahr ist das Viehaustreiben, im Sommer die Wanderung
auf die Waldweide die Freude und Belustigung der Bewohner dieser einsamen
Berghütten und der Wrfer am Fuße des Gebirges. Um Johannis wird
das Vieh aus den Ställen zu Berge getrieben. Beim Schalle langer, höl—
zerner Schalmeien, bei fröhlichem Gesange und dem Geläute der Glocken, 20
deren jedes Rind eine an äinem verzierten Bügel am Halse trägt, treibt
man die blökenden Herden zwischen Fichten und Tannen zu den Sommer—
bauden in das Hochgebirge, welches nun 14 bis 15 Wochen lang von diesen
fröhlichen Tönen widerhallt. Da wird dann Butter und Käse gemacht für
den eigenen Bedarf und für den auswärtigen Absatz.
Sämtliche Abhänge des Gebirges sind dicht bewaldet: aber hoch oben
gedeihen nur noch Knieholz, das strauchartig breite Striche bedeckt, zwerg—
aäͤrtige Fichten und Laubhölzer, eine Menge Gräser und Alpenkräuter, Moose
und Flechlen; ja viele der höchsten Gipfel zeigen auf ihren mit Felsen und
Steinblöcken überschütteten Scheiteln kaum noch Spuren des Pflanzenwuchses. 30
Denn in dieser Höhe ist der Sommer nur etwa vier Monate lang und die
Wärme gering, weshalb auch in manchen Jahren in den der Sonne abgewen—
deten Schluchten der Schnee gar nicht wegschmilzt, und Schneegestöber elbst in⸗
mitten der heißesten Jaͤhreszeit nicht seltene Erscheinungen sind. Der Über—
gang aus dem kurzen Sommer in den Winter erfolgt oft ungewöhnlich z5
schnell. Kaum sind im September einige Nebel als Vorboten des nahen
Winters eingetreten, als auch sofort Kälte und stürmisches Wetter herein—
bricht und üngeheure Schneemassen alle Höhen und Thäler des Gebirges
erfüllen. Die Wohnungen der Bergbewohner werden östers so hoch über—
schneit, daß man keine Spur von ihnen entdecken würde, verriete nicht der 40
aufsteigende Dampf der Rauchfänge die Stelle, wo sie stehen. So sind die
Bewohner bei einfallenden Schneestürmen und Windwehen oft innerhalb
weniger Stunden vollständig eingeschneit. Die Bewohner der höchsten Bauden
sind gewöhnlich Monate lang außer aller Verbindung mit den Thalbewoh—
lern. Wird eine Wanderung zu einer benachbarten Baude notwendig, so 4
müssen fie ihren Ausgang entweder durch den Dachgiebel nehmen oder sich
nach Bergmaͤnnsart ihre Wege stollenartig durch den Schnee an den Tag
arbeiten, und dann ihre beschwerliche Reise mit Hilfe der Schneereifen, oder
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