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Gudrun zum zweiten Male das Leben; dann nahm er den Kampf mit dem
fürchterlichen Wate wieder auf. Das sah von oben die liebliche Ortrun,
die eben erst die Kunde vom Tode ihres Vaters vernommen hatte, und mit
rührender Klage warf sie sich Gudrun zu Füßen. „Gedenke,“ rief sie, „wie
dir zu Mute war, als man deinen Valer erschluge Nun sieh, mein Vater
und meine Freunde sind tot; würde mir auch mein Bruder Hartmut er—
schlagen, so wäre ieh ganz eine Waise. Vergilt nun alle Liebe, die ich dir
erwies, und rette meinen Bruder vor dem schrecklichen Helden, mit dem er
jetzt kämpft.“ Gern wollte Gudrun die Bitte ihrer Freundin erfüllen, aber
der tobende Wate hörte sie nicht. Da gewahrte sie Herwig, winkte ihn heran i0
und hat ihn, die beiden Kämpfer von einander zu scheiden. Aber Wate
verweigerte in seiner wilden Aufregung Herwigs Begehren, und da dieser
dennoch zwischen die Streitenden sprang, versehte er ihm einen Schlag, daß
er hintaumelte. Darüber entstand ein Getümmel, in welchem Hartmut
lebendig gefangen genommen ward.
Nun gewann Wate stürmend die Burg. Horand pflanzte Hildens
schneeweißes Banner auf der Zinne auf. Im Schlosse aber tobte Wate gleich
einem Würgengel; selbst die Kinder in der Wiege mordete er, um nicht ein
Geschlecht von Rächern heranwachsen zu lassen. Ortrun und biele von ihren
Mägden und Dienern flüchteten sich in Gudruns Schutz; als aber auch ?0
Gerlinde sich ihr zu Füßen warf und um Gnade flehte, sprang Wate mih
knirschenden Zähnen ünd blitzenden Augen heran, schleppte die zitternde
Königin mit den Worten: „Nun soll meine Jungfrau nimmermehr Eure
Kleider waschen,“ hinaus und schlug ihr das Haupt ab. Dann suchte er
die ungetreue Hergart; Gudrun flehle, ihr das Leben zu schenken, aber der
rasende Held rief „Das kann nicht sein, hier bin ich Zuchtmeister,“ und
er legte der Verräterin das Haupt vor die Füße. Auch die Burg wollte er
verbrennen, doch Frute wehrte es; dieser ließ die Toten hinaustragen und
das Blut abwaschen und übergab Horanden die Frauen zur Obhut.
10. Wie Gudrun heimkehrte.
Jetzt ging es heim ins Friesenland. Vorausgesandte Boten brachten z0
Hilden die frohe Kunde. Als diese erfuhr, daß König Ludwig erschlagen
wäre, jauchzte sie auf in befriedigtem Rachegefühl. Wer sogleich fragte sie
ängstlich, wie es Gudrun und ihren Mägden ergehe; die Mutterliebe war
doch mächtiger als der Feindeshaß. Und als sie nun ihre Tochter selbst
umfing und küßte, da häͤtte alles Gold der Welt ihr die Freude nicht auf- 36
gewogen. Dankhar neigte sie sich vor dem gewaltigen Wate und küßle ihn,
ebenso ihren Ortewin. Als aber auch Ortrun ihr vorgeführt ward, wandte
sie sich strenge von der Tochter ihres Feindes ab, und erft Gudruns Binen
und Thränen vermöchten endlich ihren Zorn soweit zu mildern, daß sie
dieselbe umarmte. Aber Hartmut waͤrd in Ketten geworfen, und erst nach 40
einigen Tagen erreichten die Frauen durch vereinigte Bitten soviel von der
Königin, daß er frei am Hofe umhergehen durfte.
Bald folgte nun die fröhliche Vermählung Herwigs und Gudruns.
Beim festlichen Mahle nahm die glückliche Braut, die gern alles um sich her
beglücken wollte, ihren Bruder beiseite und stellte ihm vob, wie wohl er 4
beraten wäre, wenn er die liebliche Ortrun zum Weibe nähme. Gern willigte
er ein, und auch Ortrun sagte freudig zitternd ja. Zwar sträubte sich noch