290 IX. Aus dem Naturleben. das Jubeln der Lerche, das Rauschen des vom Eise befreiten Flusses zeigen uns die beginnende Herrschaft des Lenzes. Auch die Pflanzen¬ welt hat die starren Fesseln des Winters gesprengt; die wärmere Sonne, die reichliche Feuchtigkeit haben neues Streben zum Lichte in Bäumen und Stauden hervorgebracht, tausend Keime belebt, die uns neue, frohe Sommerlust vorbereiten. Wie schön ist der Blick von dem hohen Ufer das lange, tiefe Fluß- tal hinab! Die großen Bäume, die nahe dem Wasser stehen, sind Erlen, auch Ellern genannt. Vor einigen Wochen noch waren sie schwarz, jetzt aber schimmern sie rötlich im Sonnenlichte, als freuten sie sich, daß nun des langen Winters Qual beendigt sei. Sie blühen. Lange Troddelchen schwenken sie im schwachen Winde, und aus einigen von ihnen erheben sich gelbliche Staubwolken, klopfe ich mit solch einem Blütenkätzchen auf die flache Hand, so entleeren gelbliche, auf langen Fäden stehende Beutel eine Schicht Staub. Den nennt man Blütenstaub, die ihn bergenden Organe Staubgefäße oder Staubblätter, und Blüten, die sie besitzen, männliche. Aus einigen kommt trotz allen Klopfens kein Staub heraus. Sie haben schon verstäubt; denn schon in: März, wenn noch die Wurzeln der Erlen mit Schnee und Eis bedeckt sind, fangen sie an zu blühen. — Noch andere Blüten entdeckt man auf der Erle: kleinere zwar, aber noch schönere. Dunkelblutrot leuchten sie uns entgegen. Sie stäuben nicht, doch sehen wir zwischen den kleinen Schuppen leuchtend rote Fäden hervorlugen. Das sind die klebrigen Narben, die auf kugeligen Fruchtknoten sitzen. Fruchtknoten und Narben nennt man mit gemeinschaftlichem Namen Stempel, und Blüten, die sie beherbergen, weibliche oder Stempelblüten. Wer scharfe Augen hat, sieht gelben Staub an den Narben haften, der von den männlichen Blüten stammt. Nun sind die Stempel befruchtet, d. h. nun können sie sich in Früchte verwandeln. Wir finden auf den Erlenbäumen schwarze, holzige Zapfen, die vom vorigen Jahre stammen, hart sind und aussehen wie kleine Kiefernzapfen. Zwischen ihren Schuppen sitzen noch einige Früchtchen. Die meisten sind schon herausgefallen. Es sind dunkelbraune, platte Körnchen, die durch heftiges Anblasen, also auch durch stärkere Winde, eine kurze Strecke fortgetragen werden. Hier stehen auch Haselsträucher, deren blattlose Zweige mit langen, gelblichgrauen männlichen Blütenkätzchen geschmückt sind. Die weib¬ lichen Blütenstände sind die dickeren unter den Knospen, die sich — wie