73 Jahre lang bei sich fest. Ach, wie wird es meinen Lieben in der Heimat während dieser langen Zeit ergangen sein!“ So schloss Odysseus seine Erzählung spät in der Nacht, und alle trennten sich, um der Ruhe zu pflegen. 60. Penelope und die Freier. Noch jahrelang nach Trojas Zerstörung harrte die junge Königin Penelope, die treue Gattin des klugen Odysseus, in Sehnsucht und Angst auf des geliebten Gatten Rückkehr. Die übrigen Helden, welche nicht im Kampfe vor Troja gefallen waren oder in den Meereswellen ihren Tod gefunden hatten, kamen nacheinander in ihre Heimat zurück. Penelope erfuhr von ihnen wohl, dass Odysseus gesund die Heimfahrt angetreten habe, aber niemand wusste, wo er geblieben, ob er lebendig oder tot sei. Als nun ein Jahr nach dem andern verstrich, kamen die vornehmsten jungen Männer von Ithaka und den benachbarten Inseln in das Haus des Odysseus, sagten, Odys¬ seus werde nimmer heimkehren, und wollten Penelope bereden einen von ihnen zum Gemahl zu nehmen. Denn Penelope war schön und besass grossen Reichtum an Schafen und Rindern, Ziegen und Schweinen, und wem sie sich vermählt hätte, der wäre der mächtigste unter den Fürsten auf der Insel geworden. Aber die treue Frau hörte nicht auf die Reden der zudring¬ lichen Freier. „Mein Odysseus kommt doch noch wieder,“ dachte sie, „dann vergessen wir alles Herzeleid und sind wieder glück¬ lich wie früher.“ So waren neunzehn Jahre vergangen, seitdem Odysseus Abschied von ihr genommen hatte. Er hatte ihr bei seiner Abreise einen kleinen Sohn namens Telemachos hinterlassen, der war nun zum stattlichen Jüngling herangewachsen. Tele¬ machos war seiner Mutter einziger Trost in aller Trübsal, aber er war leider viel zu schwach, um allein dem Übermut der Freier zu wehren. Als Penelope ihren Werbungen nicht nachgab, wurden sie immer unverschämter. Täglich kam der ganze Schwarm, mehr als hundert junge Männer, in den Palast des Odysseus; dort hausten sie, als ob sie zu Hause wären, tranken des Königs Wein, afsen sein Brot und schlachteten seine Herden. Vom Morgen bis in die Nacht hinein feierten sie lärmende Gelage, verprassten das Gut des abwesenden Königs,