11 Großeltern, Eltern und Kinder blieben die ganze Nacht hindurch in der Stube bei einander auf uud beteten beständig. Die Großmutter las aus einem alten Gebetbuche oor. In einem „Gebete zur Zeit des Krieges" kamen die Worte vor: Gott wolle eine feste Mauer ausführen, um die Feinde von dieser Wohnung abzuhalten. Der junge Bauer, der andächtig zugehört hatte, meinte jedoch, das Aufführen einer Mauer sei gar zu viel von dem lieben Gott verlangt. Indes ging die Nacht vorüber, ohne daß ein feindlicher Soldat in das Haus kam. Alle im Hause wunderten sich darüber. Als sie aber morgens sich vor die Thüre wagten, sieh, da war gegen jene Seite hin, wo die Feinde standen, der Schnee von dem Winde hoch wie eine Mauer aufgetürmt, so daß man gar nicht hindurch kommen konnte. Alle lobten und priesen Gott. Die Großmutter aber sagte: „Seht, so hat Gott eine Mauer aufgeführt, die Feinde von nuferer Wohnung abzuhalten. Ich bleibe dabei: Wer auf den lieben Gott vertraut, Der hat auf guten Grund gebaut." 8° Das brave Mütterchen. Es war im Winter, und das Eis stand. Da beschlossen die Husumer, ein großes Fest zu feiern; sie schlugen Zelte auf, und alt und jung, die ganze Stadt versammelte sich draußen. Die einen liefen Schlittschuh, die andern fuhren im Schlitten, und in den Zelten erscholl die Musik; Tänzer und Tänzerinnen schwenkten sich herum, und die Alten saßen an den Tischen und tranken eins. So verging der ganze Tag, und der helle Mond stieg auf; aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen. Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten in der Stadt zurückgeblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre Füße nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen auf dem Deiche stand, konnte sie von ihrem Bette aus aufs Eis hinaus¬ sehen und die Freude sich betrachten. Wie es nun gegen den Abend kam, da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaus¬ sah, im Westen ein kleines, weißes Wölkchen, das eben über dem fernen Horizont aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war mit ihrem Manne zur See gewesen und verstand sich recht auf Wind und Wetter. Sie rechnete nach: „In einer kleinen Stunde wird die Flut da sein, dann ein Sturm losbrechen, und alle sind verloren." Da rief und jammerte sie so laut, als sie