J — 464 — noch einen ihrer letzten Ausläufer zu umspülen findet. Als nasser Graben vor dem Wall des Gebirges schirmte sie einst auch die Grenzen der römischen Provinz, die Grenzen der Kulturwelt. War aber der Rhein durch die Richtung seines Laufes bestimmt ein Strom der Grenze, des Überganges für alle Zeiten zu bleiben, so wurden die Ufer der Donau eine Wanderstraße, ein Land des Durchzuges. Hinter dem Rhein breitet sich ein offenes, großes Land aus, von Meeren und Hochgebirgen beschützt, im Süden der Donau nur eine lange, schmale Ebene, durch die Alpen von Italien getrennt, der Selbständigkeit un¬ fähig. Wurden auch die User des Rheins von den einbrechenden Bar¬ baren fast ebenso arg verwüstet wie die der Donau, so waren sie doch seit der Gründung des fränkischen Reiches ein befriedetes Gebiet, noch oft genug der Schauplatz blutiger Fehden, aber niemals wieder von zermalmenden, vernichtenden Völkerfluten überschwemmt. Die Raub- züge der Normannen trafen allerdings auch das rheinische Land, aber vorübergehend; an der Donau hausten Avaren und Magyaren Jahr¬ hunderte lang; und was hatten die östlichen Gegenden nicht noch in späten Zeiten von Ungarn, Rumänen, Türken zu erleiden! Der Rhein hat ein halbes Jahrtausend der Ruhe, der Kultur, des im ganzen un¬ unterbrochenen Fortschritts vor der Donau voraus. Die Spuren der Verheerung sind an der Donau lange verwischt; aber viel zahlreichere und in frühere Zeiten hinaufreichende Denkmale der Kunst zeugen an den Ufern des Rheins von älterer, ungestörter Blüte. Vom Fuß des Schwarzwaldes bis zu den Vorhöhen des Böhmer¬ waldes fließt die Donau am Saum einer weiten, einförmigen Ebene, zwischen sumpfigen Niederungen, an ihrem linken Ufer von einem Hügelzug begleitet, der sich nicht hoch und selten steil über ihren Spiegel erhebt. Dann windet sie sich bald in engen Felsschluchten durch Granit- berge, welche von Böhmen und Mähren herab den Vorhügeln der Alpen entgegenkommen, bald durchfließt sie reiche Ebenen in breitem Bett, mit zahlreichen Armen. Hier beginnt Weinbau, zugleich andere, südlichere Kulturen. Wenn der Fall des Rheins klimatisch durch nörd¬ lichere Breite ausgeglichen und endlich weit überwogen wird, so strömt die Donau von den bayrischen Hochebenen hinab immer milderen Ge¬ genden zu, in Deutschland und jenseits seiner Grenzen. Wo sie zwischen Waldbergen über Granitblöcke hinrauscht, erinnert sie an den Rhein zwischen Bingen und Bonn. An Wasserfülle wird sie erst da dem Rhein vergleichbar, wo der Inn, viel breiter und wasserreicher als der namengebende Fluß selber im Innern der Berge mit ihr