286 Endlich näherten wir uns dem Lager der Lappen, welches aus zwei großen Gammen (Sommerhütten), einer Art von Hängeboden und einer Umzäunung für die Renntiere bestand. In diese wurde die Herde getrieben, und bald trat auch die ganze Gesellschaft aus den Hütten, mit allen zum Melken notwendigen Gerätschaften versehen: langen Schlingen aus Renntierhaut oder auch hänfenen Stricken zum Festhalten der Tiere und hölzernen, unförmlichen Gesäßen zum Auffangen der Milch. Endlich wurde noch ein Gegen¬ stand ans Tageslicht gebracht und auf das lange Gras neben der Umzäunung gelegt, der mein Interesse im hohen Grade erweckte, — die Wiege eines Kindes. Sie war kunstreich aus Renntierhaut gemacht und hatte die Form eines ungeheuren Schuhes mit hohem Rücken und aufgeworfener Spitze. Ich wurde dabei lebhaft an die aus Baumrinde gefertigten Wiegen der nordamerikanischen In¬ dianer erinnert, die nach Belieben auf der Mutter Rücken ge¬ tragen oder in der Hütte oder an einem Baume aufgehängt werden können, außer dem Bereich von herumirrenden Wölfen und hung¬ rigen Hunden. Es mochten ungefähr 40 Lappen beisammen sein, alle wie meine Führer gekleidet. Die Frauen trugen lederne Gürtel, die mit blanken messingenen Zieraten dicht besetzt waren, während im ein¬ fachen Gürtel der Männer ein Messer in der Scheide steckte. Es war eine Versammlung von Zwergen; die Männer schienen mir alle unter fünf Fuß zu sein, und die Frauen waren noch kleiner. Ich wurde natürlich bald ein Gegenstand der Neugierde und merkte an den mißtrauischen Blicken, die sie wechselten, daß meine Gesellschaft ihnen durchaus nicht angenehm war. Begierig, ihre Freundschaft zu gewinnen, redete ich einen jeden von ihnen mit einigen norwegischen Worten an, aber ein Kopfschütteln und ein finsterer Blick waren die einzige Antwort. Nichtsdestoweniger zog ich meine nassen Schuhe und Strümpfe aus und mischte mich barfuß unter die Lappen, da ich gerne sehen wollte, wie sie die Renntiere melkten. Ihre erste Sorge war, die widerspenstigen Geschöpfe zu fangen. Dieses geschieht, indem der Lappe eine Schlinge um das Geweih des Tieres wirft, welches er sich ausgesucht hat. Zuweilen macht es dann keinen weiteren Widerstand; oft aber läuft es mit der Schlinge und dem daran hängenden Lappen in der Umzäunung herum und schleppt ihn eine Weile mit sich fort. Bleibt es endlich