54 großes Unglück, wenn sie ihren Vorsatz ausführen würden. Aber weder das eine noch das andere konnte sie bewegen; denn sie fürchteten, daß er ihr böswilliges Vorhaben einmal verrgten möchte. Da er sie nun so fest entschlossen sah, bat er sie ihm wenigstens zu erlauben, daß er noch vor seinem Ende seinen Schwanengesang anstimmen dürfe; dann wolle er mit seiner Leier vor ihren Augen aus freien Stücken ins Meer springen. Sie wußten recht wohl, daß, wenn sie seinen Zaubergesang hörten, ihre Herzen erweicht und sie von Reue ergriffen werden würden; daher nahmen sie sich vor, ihm zwar diese letzte Bitte zu gewähre::, bevor er aber die Stimme erhebe, sich die Ohren zu verstopfen, daß sie nichts davon vernehmen und so bei ihrem Vorhaben bleiben könnten. Dies geschah. Der Sänger erhob einen herrlichen, unendlich rührenden Gesang. Das ganze Schiff tönte mit, die Wellen klangen, die Sonne und die Gestirne erschienen zugleich am Himmel uud aus den grünen Fluten tauchten tanzende Scharen von Fischen und Meerungeheuern her¬ vor. Nur die Schiffer standen feindselig mit festverstopften Ohren und warteten voll Ungeduld auf das Ende des Liedes. Bald war es vorüber. Da sprang der Sänger mit heiterer Stirne in den dunklen Abgrund hinab, sein wundertätiges Sailenspiel im Arme. Er hatte aber kaum die glänzenden Wogen berührt, so hob sich der breite Rücken eines dankbaren Delphins unter ihm hervor, der mit dem erstaunten Sänger schnell davonschwamm. Nach kurzer Zeit hatte er die Küste erreicht, wo Arion landen wollte, und setzte ihn sanft im Schilfe nieder. Der Dichter sang seinem Retter ein frohes Lied und zog dankbar von dannen. Nach einiger Zeit ging Arivn einmal am Ufer des Meeres und klagte in süßen Tönen über seine verlorenen Kleinode, die ihm als Erinnerungen glücklicher Stunden und als Zeichen der Liebe und Dank¬ barkeit so wert gewesen waren. Indem er so sang, kam plötzlich sein alter Freund im Meere fröhlich dahergerauscht und ließ aus seinem Rachen die geraubten Schätze auf den Sand fallen. Die Schiffer hatten nach dem vermeintlichen Todessprung des Sängers sogleich seine Hinter¬ lassenschaft zu teilen angefangen. Bei der Teilung aber war Streit unter ihnen entstanden und über dem Zwiespalte war das Schiff durch Nachlässigkeit auf den Strand geraten, wo es scheiterte und unterging. So kehrten die Schätze durch die Hilfe des dankbaren Delphins, der sie im Meere aufsuchte, in die Hände ihres alten Besitzers zurück. Nach F. v. Hardenberg.