118 Aus der Welt der Griechen und Römer. nach Rom zurück. Da schickte der Senat die Priester in Coriolans Lager, um ihn im Namen der Götter zu bitten, seiner Vaterstadt nicht so Hartes aufzuerlegen. Auch diese kehrten unverrichteter Sache zurück. Endlich entschlossen sich, gedrängt von den Bitten der römischen Frauen, seirle Mutter Veturia und seine Gattin Volümnia, zu ihm zu gehen, um seinen harten Sinn zu erweichen. An der Spitze einer Schar edler Frauen näherten sie sich dem Lager; Volümnia führte ihre beiden Kinder mit sich. Anfangs wollte Coriolan die Frauen gar nicht emp¬ fangen; als er aber hörte, seine alte Mutter befinde sich unter ihnen, eilte er auf sie zu und wollte sie umarmen. Veturia jedoch trat stolz zurück und sprach: „Zuvor laß mich wissen, ob du der Feind deiner Vaterstadt bist, in der die Götter deines Hauses, dein Weib und deine Kinder wohnen, und ob du fortfahren willst, ihre Ländereien zu ver¬ wüsten?" Da wurde das Herz des harten Mannes erweicht; beschämt stand er vor seiner entrüsteten Mutter; die Klagen der übrigen Frauen drangen in sein Ohr. „Mutter," sagte er endlich, „Rom hast du ge¬ rettet, aber den Sohn hast du verloren! Ich werde deinem Willen nicht widerstreben." Damit umarmte er die Seinen, ließ das Lager abbrechen und zog davon. Wie einige erzählen, soll er dann von den Volskern aus Zorn darüber, daß er ihre Hoffnungen nicht erfüllte, erschlagen worden, nach anderen in hohem Alter bei ihnen gestorben sein. Richard Schillmann. 46. Hannibals Äbergang über die Alpen. Zwischen der Rhone und den Alpen wohnte zu der Zeit, wo Hannibal, der Karthager gewaltigster Feldherr, das südliche Gallien durchzog, um auf diesem Wege nach Italien vorzudringen, das mächtige Volk der Allobroger. Sehr willkommen mußte dem Karthager der Umstand sein, daß gerade damals der Streit zweier Brüder um die Herrschaft des Landes ihm den Durchzug erleichterte, der sonst mit Schwierigkeiten hätte verbunden sein können. Er ergriff nämlich, da man ihn zum Schiedsrichter in diesem Zwiste wählte, die Partei des älteren Bruders, der nun mit Hannibals Hilfe seinen Gegner leicht überwältigte. Eine Menge von Lebensmitteln, selbst von Waffen und Kleidungsstücken, die dem Heere sehr willkommen waren, und noch ein wertvolleres Geschenk, ein sicheres Geleit bis an den Fuß der Alpen, wurde den Karthagern als Dank zuteil. So zog Hannibals Heer zehn Tage lang durch das Land der Allobroger, ohne angegriffen zu werden; da aber sah es sich am Fuße des riesenhaften Gebirges von