152 Aus der Länder- und Völkerkunde. Mitteln auch nichts Durchgreifendes zu tun, obwohl enorme Summen für Straßenreinigung- verausgabt werden (in der City allein über eine Million Mark jährlich). Der Staub senkt sich immer bald wieder nieder. Er ist es, der das häufige Wechseln der Leibwäsche erforder¬ lich und das Händewaschen fast wirkungslos macht. Auch die Straßenbeleuchtung Londons erreicht nicht die Höhe von Berlin. Gas überwiegt, und bei der grauen Atmosphäre, die meistens über der ungeheuren Stadt lagert, kommt es oft nicht recht zur Geltung. Nur auf einzelnen Plätzen haben wir helles elektri¬ sches Licht. Charakteristisch für London sind die vielen sogenannten „Squares“ mit schönen Gartenanlagen und Bosketts in ihrer Mitte, zu denen nur die umliegenden Hausbewohner die Schlüssel besitzen. Dem großen Publikum dagegen sind die eigentlichen Schmuck¬ plätze der Themsestadt geöffnet. Der Rasen, der in anderen Städten meistens nur zum Ansehen ist, ist hier zum Draufliegen und zum Spielen und wird von den unteren Volksklassen eifrigst dazu aus¬ genutzt. Ein Berliner Freund, der mich hier besuchte, meinte beim Anblick dieses Treibens in St. James’ Park: „Ein Berliner Schutzmann würde hier in London immer nur mit gesträubten Haaren herum¬ wandern.“ Von Anschlägen findet man in der Regel nur die beiden Warnungen: „Nicht auf die Rasenkante!“ und „Man erwartet vom Publikum, daß es hilft, die öffentlichen Anlagen zu schützen, die für den öffentlichen Nießbrauch da sind!“ Will man den Hafen von London kennen lernen, so bediene man sich eines der vielen Vergnügungsdampfer und mache die Fahrt nach Greenwich und darüber hinaus. Oder noch bequemer, man setze sich an einen der Fenstertische des „Ship“ in Greenwich und lassf sich dort eines der weltberühmten Fischgerichte vorsetzen. Da kann man, je nach Ebbe und Flut, das ganze großartige Schiffsheer strom¬ ab- und stromaufwärts unmittelbar an sich vorübergleiten sehen. Alle Flaggen der Welt sind vertreten, am zahlreichsten natürlich der Union Jack, und alle Schiffstypen vom gewaltigen Ostindienfahrer bis zum kleinen Nordseekutter und bis zur Fischereiflotte der Küsten mit ihren braungeteerten Segeln. Ein ganz anderes Landschaftsbild bietet die obere Themse. Zeigt der Strom unten, in seiner breiten Mächtigkeit, eine echte Tieflands¬ bildung , so gestaltet er sich oberhalb sehr bald zur anmutigen Silberlinie, die sich in heiteren Schlangenwindungen durch gewelltes