L. Prosa. l. Märchen und Sagen. z8. Die Gänsemagd Jakob und Wilhelm Grimm. Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben, und sie hatte eine schöne Tochter. Wie die erwuchs, wurde sie weit über Feld an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, pacte ihr die Alte gar viel köst⸗ liches Gerät und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und Kleinode, turz alles, was nur zu einem löniglichen Brautschatz gehört; denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammer— jungfer bei, die mitreiten und die Braut in die Hände des Brãäu⸗ tigams überliefern sollte. Jede bekam ein Pferd zur Reise; aber das Pferd der Königstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten: darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: „Liebes Kind, verwahre sie wohl, sie werden dir unterwegs not tun.“ Also nahmen sie beide voneinander betrübten Abschied; das Läpp— chen stecte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs 1