Pfeffel: Die zwei Hunde. Lausch: Münchhausen. 147 Klingen seine merkwürdigen Reise-Erlebnisse und vielfachen Jagd- und Kriegs-Abenteuer zuweilen auch etwas märchen- und lügenhaft, so hat er sie doch selbst erzählt und versichert, daß die Geschichten alle buch¬ stäblich wahr seien; außerdem habe ich sie schon als Kind von meinem Großvater gehört und später sogar in einem Buche gedruckt gelesen; also ist an der Wahrheit derselben'gar nicht mehr zu zweifeln. Wer aber dennoch ein ungläubiger Thomas sein will, gut — der giebt acht Groschen und hält davon, was ihm gut dünkt. Ich trat meine Reise nach Rußland mitten im Winter an, so erzählte der Freiherr, — und zwar zu Pferde, weil ich glaubte, daß ich in den nördlichen Gegenden, wo gute Wege und bequeme Reisegelegenheit nicht gerade häufig zu finden sind, auf diese Weise am besten fort¬ kommen könnte. Auf mein Pferd konnte ich mich verlassen, das wußte ich; denn es hatte mir schon manch guten Dienst geleistet. Einmal war ich den ganzen Tag hindurch geritten, als mich die Nacht überfiel, ohne daß von einein Dorfe oder sonst einem Orte etwas zu sehen oder zu hören war. Das gaiize Land lag unter Schnee; ich wußte weder Weg noch Steg, und da ich des Reitens müde war, stieg ich ab und band mein Pferd an einen spitzen Pfahl, der aus dem Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich neben dem Pferde in den Schnee nieder und hielt ein gesuiides Schläfchen, so daß ich erst aufwachte, als es hellet Tag war. Wie groß war aber mein Erstaunen, als ich mitten in einem Dorfe auf dem Kirchhofe lag! Und wo war mein Pferd? Ich suchte und suchte — da hörte ich es'plötzlich über mir wiehern Als ich aufblickte, sah ich, daß es oben an die Spitze des Kirchturms gebunden war und von da her- unterhieng. Jetzt wurde mir alles klar. Das ganze Dorf hatte unter dem Schnee gelegen; und als in der Nacht Thauwetter eingetreten, war der Schnee schnell zusammengeschmolzen und ich sanft h'erabgesunken. Was ich aber in der Dunkelheit für einen Baumpfahl gehalten, das war das Kreuz auf dem Kirchturme gewesen. Ohne mich lange zu besinnen, nahm ich meine Pistole; schoß nach dem Halfter; und da ich ein guter Schütze bin, traf ich so sicher, daß der Riemen zersprang und mein Rößlein glücklich herunter kam. Ich schwang mich hierauf in den Sattel, setzte meine Reise fort und kam glücklich und wohlbehalten über die Grenze nach Rußland. In Rußland ist es Mode, mit Schlitten zu reisen. Ich kaufte mir also Ebenfalls einen kleinen Rennschlitten und fuhr wohlgemut!) auf St. Petersburg los. — Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Esth¬ land oder in Jngermanland war, nur so viel weiß ich noch gewiß, daß ich mich mitten in einem fürchterlichen Walde befand, als ich einen ent¬ setzlichen Wolf mit aller Schnelligkeit, wie sie nur der fürchterlichste Winterhunger verleiht, von hinten auf mich ansetzen sah. Er holte mich bald ein, und es war schlechterdings unmöglich, ihm zu entkommen. Rasch warf ich mich der Länge nach in den Schlitten nieder und über¬ ließ mich und das Pferd unserm Schicksal. Was geschah? Der Wolf bekümmerte sich nicht im mindesten um meine Wenigkeit, sondern sprang über nrich hinweg, fiel wüthend über das Pferd her und verschlang aus 10'