180 D. Schwänke und Erzählungen. II. Merkwürdige Begebenheiten rc. Die anwesenden Herren vom Hofe nahmen es übel auf, daß einem Ausländer, noch dazu einem Manne, der nicht einmal von nobler Her¬ kunft sei, so große Auszeichnung erwiesen werde. „Mich dünkt," hub einer der königlichen Kammerherr'n an, „der Weg nach der sogenannten neuen Welt war nicht so schwer zu finden, der Ocean stand überall offen, und kein spanischer Seefahrer würde das Ziel verfehlt haben." Mit vornehmem Gelächter gab die Gesellschaft dieser Aeußerung ihren Beifall zu erkennen, und mehrere Stimmen riefen: „O, das hätte ein jeder von uns gekonnt!" „Ich bin weit entfernt," entgegnete Columbus, „mir etwas als Ruhm anzumaßen, was ich nur einer gnädigen Fügung des Himmels zuschreiben darf; indessen kommt es doch bei vielen Dingen in der Welt, welche uns leicht auszuführen scheinen, oft nur darauf an, daß sie ein anderer uns vormacht." „Dürft' ich," sagte Columbus zu jenem Kammer¬ herrn gewendet, „Ew. Excellenz wohl ersuchen, dies Ei" — er hatte sich von einem Diener ein Hühnerei bringen lassen — „so auf die Spitze zu stellen, daß es nicht umfällt?" Die Excellenz versuchte von der einen, wie von der anderen Seite vergeblich, das Ei zum Stehen zu bringen. Der Nachbar bat es sich aus, es gelang ihm eben so wenig ; nun drängten sich die andern dazu; ein jeder wollte den Preis gewinnen; allein weder mit Eifer noch mit Ruhe war es möglich, das'Kunststück auszuführen. „Es ist unmöglich!" riefen die Edeljunker; „ihr verlangt Unausführbares!" — „Und doch," sagte Columbus, „werden diese Herren sogleich sagen: das kann ein jeder'von uns auch!" Jetzt nahm er das Ei und setzte es mit einem leichten Schlage auf den Tisch, so daß es auf der eingedrückten Schale fest stand. — „Ja! das kann ein jeder von uns!" riesen die vornehmen Herren. Seitdem hörte man oft sagen, wenn eine glückliche Erfindung gemacht wurde, zu welcher ein jeder sich klug genug'dünkt: „Das Ei des Columbus!" 110. Ein Kunststück. Julius Sturm, geb. den 21. Juli 1816 zu Köstritz im Fürstenthum Reuß, wo er als Pfarrer lebt. Der Vater Blücher saß beim Wein Und rings ertönte laut sein Lob, Als sich der Feldmarschall erhob Und rief: „Mir fällt ein Kunststück ein! Ihr Herrn, die ihr so vieles wißt, Wißt ihr, wie man den Kopf sich küßt?" Da riechen sie wohl hin und her; Das Kunststück däuchte ihnen schwer, Der Blücher aber lachte schlau Und — küßte seinen Gneisenau. 111. Wie Admiral Ruyter den Spott bestraft. W. O. von Horn. Admiral de Ruyter war ein Held zur See, der seines Gleichen nicht viele hat; aber nur auf seinem prächtigen Admiralschiff', aus dessen Luken