216 E. Beschreibungen und Schilderungen. II. Geographische Bilder. Ferne immer näher, und das Nahe und Gegenwärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt ihr erst, daß ihr vorwärts kommt; also auch die Erde. An der Erde selbst und allem, was auf ihr ist, so weit man schauen kann, läßt sich ihre Bewegung nicht absehen (denn die Erde ist selbst das große Gefährte, und alles, was man auf ihr sieht, fährt selber mit); sondern man muß nach etwas schauen, das stehen bleibt und nicht mitfährt, und das sind eben nach Nro. 1 die Sonne und die Sterne, zum Beispiel der sogenannte Thierkreis. Denn zwölf große Gestirne, welche man die zwölf himmlischen Zeichen nennt, stehen am Himmel in einem hohen Kreis um die Erde herum. Sie heißen: Der Widder, der Stier, die Zwillinge, der Krebs, der Löwe, die Jungfrau, die Wage, der Skorpion, der Schütz, der Steinbock, der Wassermann, die Fische. Eins folgt auf das andere, und das letzte schließt an das erste wieder an, nämlich die Fische an den Widder. Dies ist der Thierkreis. Er stehet aber noch viel höher am Firmament als die Sonne, und sie steht von hieraus betrachtet immer zwischen den zwei Linien, die seinen Rand bezeichnen, und in einem Zeichen derselben. Denn ob sie gleich noch weit herwärts desselben stehet, so meint man doch wegen der sehr gropen Entfernung, sie befinde sich in dem Zeichen selbst. Wenn sie aber heute in dem Zeichen des Steinbocks steht, so steht sie nach dreißig Tagen nicht mehr in dem Zeichen des Steinbocks, sondern im nächsten, und je nach dreißig Tagen immer in den nächstfolgenden, und daran erkennt man, daß die Erde in ihrem Kreislauf unterdessen vorwärts gegangen sei. Es kann nicht fehlen. Zu dem allem sagt fünftens und letztens der Copernikus wieder, wenn gleichwohl die Axe der Erdkugel gegen die Sonne wagrecht läge, und die Erde drehte sich auch so' und sie bewegte sich wagrecht in einer vollkommen runden Zirkellinie um die Sonne, also daß die Sonne genau im Mittel¬ punkt des Zirkelkreises stünde, so müßte Jahr aus Jahr ein und auf allen Orten der Erde Tag und Nacht gleich sein. Ja es müßte mitten auf der Erde rechts und links um den 'rothen Faden ein ewiger Sommer glühen, weiterhin zu beiden Seiten am Abhang der Kugel milderte und kühlte sich die Hitze ein wenig, je schiefer die Sonnenstrahlen herabfielen, und näher gegen die Pole hin herrschte ein Winter ohne Trost und ohne Ende. ' Äber es ist nicht so, sagt der Sternseher. Die Axe der Erde liegt nicht wagrecht und nicht senkrecht gegen die Sonne, sondern schief in einem Winkel von siebenundsechszig Graden, wer's versteht. In dieser Richtung gegen die Sonne dreht sich die Erde in vierundzwanzig Stunden um, in'dieser Richtung wandelt sie in einem Jahr um die Sonne ebenfalls nicht senkrecht, sondern schief. Wenn am 21. März der geneigte Leser sich vor den rothen Adler stellt, vor das Wirtshaus, und sich mit dem Gesicht gegen Sonnen¬ aufgang kehrt, so ist der Kreis, den am selbigen Tag der'rothe Faden um'die Erde zieht, noch 1470 Stunden Wegs', oder 735 Meilen rechts hinaus von ihm entfernt; sein Pol aber, dem er am nächsten ist, ist 1230 Stunden Wegs oder 615 Meilen von ihm entfernt links hinaus. In solchem Standpunkt steht der geneigte Leser am 21. März. Aber schon am zweiundzwanzigsten legt 'sich der Faden nicht mehr ganz an