33 Freunde, dem sie erst kurz vorher ihre Not geklagt, und in heiße Segens¬ wünsche für ihren Retter, den er ihr gesandt hatte. Durch diese kleine Gabe war für jetzt beinahe ihre Not geendet. Der harte Gläubiger sollte den Thaler auf Abschlag erhalten; denn sie hoffte, daß er damit sich wohl einstweilen begnügen werde. Vorhin in ihrer Angst und Sorge war ihr Auge trocken geblieben, und jetzt — weinte sie. Das waren Freudenthränen; sie war am Höhepunkte des Dankopfers ihrer Seele. Es war wohl noch nicht eine Stunde vergangen, da kehrte der Un¬ bekannte zurück. Sein Gesicht war jetzt hochgerötet, als sei es vom Trünke oder vom Zorne erhitzt. Er stürzte in gewaltiger Hast auf die Bude der alten Else los und schlug mit seiner starken Faust so derb auf ihre Waren ein, daß er mit diesem Schlage sogleich einen Nürnberger Heuwagen samt den Rossen und ein ganzes Regiment bleierne Soldaten vernichtete. „Liebe Alte," rief er in ungezügelter Freude, „thu mir den Gefallen und wirf deinen ganzen Plunder auf die Straße, daß sich die Jungen daran freuen; du sollst es fortan nicht mehr nötig haben, hier im Sturm und Unwetter zu sitzen. Heisa! das Glück ist bei mir eingekehrt! wundervoll und unverhofft! Vierzig Jahre habe ich diesem Glücke auf allen Meeren und in allen Zonen nachgejagt: es wandte mir überall den Rücken; siehe, da find' ich es plötzlich in der Heimat an dem Grabe meines Vaters. Es war eine bittere, trübe Empfindung, als ich das Grab meines Vaters erblickte, so einsam, so wüst und so verfallen! Ach, ich war von dem guten Vater ausgezogen mit stolzen Hoffnungen. Reich wollte ich wiederkehren und sein im Alter pflegen. Es war aber alles anders gekommen; er ruhte in der Erde, und ich war ärmer zurückgekehrt, als ich ausgegangen war. Da hob ich das Bild des Großvaters, für das ich dir meinen letzten Thaler gegeben, in die Höhe, um mich wenigstens an den gutmütigen Zügen zu erfreuen, die mich wilden Buben so oft angelächelt hatten. Aber unter meiner derben Faust, die Sonnenbrand, Eiseskälte und schwere Arbeit abgehärtet haben, brach der morsche Rahmen zusammen, und — aus der Rückseite des Bildes fielen englische Staatspapiere heraus, deren Wert sich durch die Jahre und durch den fortlaufenden Zins verdoppelt hat. Der Großvater, der in seinen letzten Lebenslagen ängstlicher um Hab und Gut geworden war, hatte wahrscheinlich dort alle seine Schätze verborgen, ohne bei seinem so schnellen Tode meinem Vater darüber Nachricht geben gu können. In einem einzigen Augenblicke bin ich nun ein reicher Mann geworden! Jene Papiere sind mein rechtmäßiges Eigentum; denn bei diesem Schatze lag zugleich ein Testament, das mich im Fall des Ablebens meines Vaters zum Erben des Großvaters ernennt. Jetzt kauf' ich unser Haus in der Langgasse zurück, und in dem Prunksaale soll wieder, wie in früheren Zeiten, das Bildnis Deutsches Lesebuch, in. 3