205 r^rr-Ldr^rr«<LNr-s»rrLNr^»r 4. Non Wiesbaden gehen wir nach Biebrich am Rhein und besehen das Schloß, das einst der Herzog von Nassau gerne bewohnte; dann besteigen wir ein Dampfboot, um rheinabwärts zu fahren. Von Biebrich an fließt der Rhein eine Strecke weit in breitem Bette nach Westen und umschließt zahlreiche grüne Inseln, die hier 5 Auen genannt werden. Bei Bingen, wo auf der linken Seite die Nahe ihre dunkeln Wasser zu seinen grünen fügt, wendet er sich, das Gebirge durchbrechend, nach Nordwesten. Hier steigt auf der rechten Seite, fast unmittelbar von seinem Ufer an, die letzte Höhe des Taunus, der Nieder¬ wald, empor bis zu 330 Meter über dem Meere oder etwa 250 Meier 10 über dem Rheinspiegel. Auf dem unteren Teile des Berges reift die Traube, die den feurigen Rüdesheimer Wein liefert. Oben ragt aus dem Walde eine Ruine* hervor, die Rossel genannt, die wir als nächstes Ziel wählen. Wir verlassen das Schiff in Aßmannshausen, wo der beste Rotwein am Rhein wächst. Ein Tälchen hinauf, dann weiter 15 hinan auf Waldpfaden gelangen wir in das gastliche Jägerhaus und von da auf die Rossel. Der von Schiffen belebte Rhein lenkt unsere Blicke östlich nach Mainz hin, dessen Türme bei heiterem Wetter sichtbar sind. Gerade südlich unter uns, auf der linken Rheinseite, liegt Bingen mit der Burg Klopp, auf der einst Kaiser Heinrich IV.* von seinem 20 Sohne gefangen gehalten wurde, und dem Rochusberge, zu dessen Kapelle jährlich am 16. August Wallfahrer aus der ganzen Gegend zusammen¬ strömen. An der Stadt vorbei fließt die Nahe, die sich von Kreuznach her durch die Berge gewunden hat, dem Rheine zu. Unterhalb ihrer Mündung liegt im Rhein eine kleine Insel mit dem Mäuseturm; sie 25 erinnert an die Sage von Bischof Hatto*. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war hier die deutsch-franzö- fische Grenze. Was drüben lag, gehörte zu Frankreich, obwohl die Bevölkerung nach Sprache und Sitte deutsch war. Gottlob, daß es nicht mehr so ist, daß von der „Rheingrenze" nicht mehr die Rede sein 30 kann! Hier auf dem Niederwalde steht weithin sichtbar das Na- tionaldenkmal, ein Erinnerungszeichen an die Wiedergeburt des Deutschen Reiches, das nach blutigem Entscheidungskampf mit dem fran¬ zösischen Nachbar erstand. Möge der Krieg von 1870—1871 der letzte Waffengang zwischen beiden Völkern gewesen sein; mögen sie nur noch 35 in den Werken des Friedens miteinander wetteifern! Zu solchen Ge¬ danken und Empfindungen regt uns die Stelle an, auf der wir stehen. Nach dem Lesebuch von Chun und Liermann.