192 Vaterländische Geschichten. den Hof zu den Pferden durchzuschlagen. Bei der starken Übermacht konnte der Widerstand nicht von langer Dauer fein. Schon eine Mi¬ nute nach Beginn des Kampfes waren alle fünf Dragoner schwer, zwei Leutnants leicht verwundet, der dritte Offizier aber, Leutnant Winsloe, lag tot am Boden. Um zu prüfen, ob hinter dem Hause ein Ent¬ kommen möglich wäre, lief Graf Zeppelin nach der Hintertür. In der Nähe derselben hielt eine Bauersfrau ein französisches Pferd am Zügel. Mit ein paar Sprüngen war der Graf dort und saß im Sattel. Er hoffte, daß die anderen ihm folgen würden; darum verweilte er noch einige Augenblicke, aber vergebens. Der Masse der Feinde war es bald gelungen, die sieben verwundeten deutschen Krieger zu über¬ wältigen und gefangen zu nehmen. Endlich wurde auch der Graf ent¬ deckt und von einem Trupp verfolgt; er mußte fliehen. Zum Glück war das Pferd gut. Ein kleines Gehölz brachte seine Verfolger von ihm ab. Kaum hatte er in vollem Roffeslaufe ein zweites Gehölz erreicht und in einem Dickicht Halt gemacht, als dicht vor ihm ein Zug Chasseurs vorübergaloppierte. Er blieb unentdeckt. 8. Wie aber, wenn die Suche bedächtiger und eingehender fortgesetzt wurde, wenn das Pferd nicht in seiner Ruhe verharren sollte! Ein Laut, eine Bewegung desselben mußte den Versteck von Roß und Reiter verraten. Darum band er sein Roß im Dickicht fest und eilte, indem er die schattigeren und dichter bewachsenen Stellen benutzte, tiefer ins Holz. Dort erkletterte er einen hohen Baum, um sich in dessen Krone zu bergen und weiter ausblicken zu können. Bald folgte dem ersten ein zweiter Zng Chasseurs, dann ein dritter. Sie sprengten durch und um das Gehölz nach allen Richtungen. Mehrmals konnte er sie von seinem Hochstand aus unter sich hinreiten sehen. Endlich nach drei Stunden ward es still, seine Verfolger mußten abgezogen sein. Drei Stunden bangen Harrens. Nun stieg er herab und pirschte sich, jedes Geräusch nach Jägerart vermeidend, nach verschiedenen Seiten des Waldsaumes, überzeugte sich, daß sich sein Pferd noch in seinem Verstecke befand, durchsuchte die umliegenden Felder, kroch horchend und spähend zwei Stunden lang umher, fand aber keine Spur seiner Gefährten. Nun durfte er nicht länger verweilen, andere heilige Pflichten riefen ihn. Es galt, seine wichtigen Nachrichten zur Meldung zu bringen. Als er nach dem Holze zurückschlich, gewahrte er ein mit zwei mageren Kühen bespanntes Wägelchen. Ein armes Bäuerlein und seine Tochter beluden es mit halbverdorrtem Grase, das sie mühevoll zusammenge¬ scharrt hatten. Sie fühlten Mitleid mit ihm und boten dem Erschöpften die erste Labung nach langer Zeit. Der Bauer melkte seine beiden Kühe, und die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für den eigenen Durst zu sich gesteckt hatte. Mit einem herzinnigen „Vergelt's Gott!" schied er von den guten Menschen.