146 einiger Zeit, gewöhnlich schon am andern Tage, haben die Fangarme sich wieder gewissermaßen in Schlachtordnung ausgelegt; nun erscheinen auch die Tröpfchen wieder an den Drüsenköpfchen der Wimpern; das Blatt ist dann gerüstet, eine neue Beute einzufangen. Es war im Juli 1779, als ein Arzt aus Bremen, Dr. Roth, zum erstenmal die kleine Tragödie vor seinen Augen sich abspielen sah, die wir soeben geschildert. Nichts ist spannender, nichts auch leichter zu beobachten; denn der Sonnentau ist in unseren Torfsümpsen äußerst verbreitet, und um ihn im Zimmer lebend zu erhalten, ist nichts weiter erforderlich, als die Pflänzchen samt dem Torfmoos, in dem sie wurzeln, in einen Teller zu setzen und das Moos feucht zu halten, im übrigen die Pflanzen der Sonne auszusetzen und von Zeit zu Zeit mit kleinen Insekten zu füttern. Man glaubt in der verkehrten Welt zu sein, wo der Hase den Jäger verfolgt, das Lamm den Wolf frißt. Wir finden es selbstverständlich, daß die wehrlose Pflanzenwelt alle Mißhandlung und Verheerung von seiten der Tiere stumm über sich ergehen läßt, und daß die Insekten, von der Made bis zur Raupe, von der Heuschrecke bis zum Käfer, es am schlimmsten treiben. Und nun beobachten wir ein Gewächs, eines der zartesten und unscheinbarsten, das sich tapfer zur Wehr setzt, aus eigene Faust als Freischärler gegen die Erbfeinde zu Felde zieht und seine Opfer, die es mit Sprenkel und Leimrute in den Hinterhalt gelockt, mit kannibalischer Grausamkeit nicht bloß tötet, sondern auch gleich auffrißt. Man hat auf einem einzigen Sonnentaublatt die Überreste von dreizehn gemordeten Insekten gezählt. 46. Oie Cicbe. Von Gduard feldtmann. Der Naturfreund im Walde. Ravensburg o. J. 8. 57. VYlfit Bewunderung betrachten wir die reichgeschnitzten Truhen und JJ i Schränke, die schweren Tische und Stühle, die uns zum Andenken an die Kunstfertigkeit unserer Vorfahren aufbewahrt werden. Oft ist die Jahreszahl der Entstehung dieser Geräte vom Künstler mit in das harte Holz eingeschnitzt, und wir erkennen, daß sie nicht selten /zwei- oder^drei- hundert Jahre und noch darüber alt sind. Wie viele kleine Löcher be¬ weisen, hat ihr Holz den Bohrwürmern, den Larven eines kleinen Käfers, ches Trotzkopfes,^ nicht zu widerstehen vermocht,' wohl aber hat es dem Zahn der Zeit getrotzt und wird ihm auch noch lange Jahre trotzen. Es ist der Eichbaum, von dem dies unvergänglich scheinende Holz stammt. Mehr als fünfhundert Jahre kann die Eiche alt werden; ist sie doch erst mit zweihundert Jahren ausgewachsen. Man hat sogar zweitausend¬ jährige Stieleichen gefunden. In diesen großen Zeiträumen erreicht die Wintereiche eine Höhe von dreißig bis vierzig Meter, die Stieleiche eine Höhe von etwa zwanzig Meter. Höhe und Dicke der Bäume nehmen aber nicht in gleichem Maße zu; denn der Stammdurchmesser der Stieleiche