185 Langsam folgte unser Boot, von anjerm Fischer geleitet, dem treibenden Netze. Plötzlich bewegten sich die Pümpel des Netzes heftiger; die Augen des Fischers und seines Maats leuchteten: ein Fisch hatte sich in den Maschen verstrickt. Langsam ward das Netz von den Fischern in die Höhe gezogen. Der Rücken des spindelförmig gestreckten Fisches, mit fünf Längsreihen großer Knochenschilder zu beiden Seiten des Körpers, dann eine Art Rüsselschnauze, an der vier Bartfäden herabhingen, erschien an der Oberfläche des Wassers. Der Fischer hatte die bereitliegende Harpune ergriffen, ein kräftiger Stoß — und das Eisen saß fest im Rücken des Fisches. Es war ein prächtiges Tier, das trotz des starken Harpunenstoßes das dahinrauschende Wasser noch peitschte. Doch das Eisen hielt, und endlich befand sich der wertvolle Fisch wohlgeborgen im Boote. Er hatte eine Länge von 2^2 m; doch sagte uns der Fischer, daß der Stör bisweilen eine Länge von 4 bis 5 in erreiche. Erwartungsvoll blickte Christian, der Maat, jetzt seinen Herrn an, und beinahe ängstlich kamen die Worte: „Hett he ok Moos?" von seinen Lippen. „Jawoll, Krischan," erwiderte der Fischer, „Moos in Hüll und Füll!" Ein befriedigendes Lächeln glitt über die gebräunten Züge des alten Maats. „Aber, was ist Moos?" fragten wir den Fischer, „und warum schmunzelt Christian noch immer so vergnügt?" „Moos ist Rogen," antwortete der Fischer, „ein Rogener wird uns vom Händler in Glückstadt doppelt so teuer wie ein Milchener bezahlt. Da nun mein Maat ein Drittel des Handgeldes erhält, werden Sie seine Freude verstehen können." Während dieses Gesprächs hatten Fischer und Maat einen Strick durch die Kiemen des Fisches gezogen und mit einem zweiten auch den Schwanz des Tieres gefesselt. Dann wurde der Gefangene ins Wasser gelassen, beide Taue mit künstlich geschlungenem Knoten am Bootsrand befestigt, und Netz, Boot und Stör trieben nun weiter elbabwürts. Die Störe, die vorzüglich Nord- und Ostsee, aber auch das Schwarze Meer und in ungeheuren Massen den Kaspisee bewohnen, suchen zur Laichzeit das süße Gewässer der Flüsse auf. Im Rhein, in der Donau, in der Elbe und Eider werden sie ziemlich weit landeinwärts gefangen. Der Fang währt vom April bis August. Das Fleisch der Störe ist schmackhaft, aber was ihnen einen so hohen Rang unter den Geschlechtern in beschuppter Haut gegeben, ist ihr Rogen, der unter dem Namen Kaviar den geschätztesten Leckerbissen der Frühstückstafeln bildet. Aus der Schwimm¬ blase des vornehmsten unter ihnen, des Hausen, bereitet man einen vor¬ züglich feinen, zu mannigfachen Zwecken verwendbaren Leim. Die Störe sind arge Räuber, die sich im Meere von Heringen, Makrelen und Schellfischen, in den Flüssen von Karpfen und andern Tieren nähren. Sie wandern in Gesellschaft, legen ihre zahlreichen Eier am Grunde der Flüsse ab und kehren bald ins Meer zurück, während die Jungen länger, vielleicht zwei Jahre, in den Flüssen verweilen. Im