Poetische Erzählungen. 323 Sieh an die Fliege! Nein, wie dumm! Sie rennt ihm fast das Häuschen um. Nun fleht und schreit sie weh und ach, Ja, Ketzerin, du treibst’s danach! Mit offnen Augen muss man sehn Und nie in fremde Grenzen gehn. Schau nur! Das Spinnlein merkt’s geschwind, Es zuckt, es springt — hat’s wie der Wind Und denkt: „Ich hatte Müh und Not, Nun schmeckt mir auch mein Abendbrot!“ Drum sag' ich ja: „Zur rechten Frist Sorgt Gott, der keinen je vergisst.“ 33. Das Dörfchen, G. A, Bürger. Ich rühme mir Mein Dörfchen hier; Denn schön’re Auen, Als rings umher Die Blicke schauen, Blühn nirgends mehr. Welch ein Gefilde Zum schönsten Bilde Für Künstlerhand! Hier Felsenwand, Dort Ährenfelder Und Wiesengrün, Dem blaue Wälder Die Grenze ziehn; Auf jener Höhe Die Schäferei Und in der Nähe Mein Sorgenfrei! So nenn’ ich meine Geliebte kleine Einsiedelei, Worin ich lebe Zur Lust versteckt, Die ein Gewebe Von Ulm’ und Hebe Grün überdeckt. Dort kränzen Schlehen Die braune Kluft, Und Pappeln wehen In blauer Luft. Mit sanftem Rieseln Schleicht hier gemach Auf Silberkieseln Ein heller Bach; Flieset unter Zweigen, Die über ihn Sich wölbend neigen, Bald schüchtern hin, Läset bald im Spiegel Den grünen Hügel, Wo Lämmer gehn, Des Ufers Büschchen Und alle Fischchen Im Grunde sehn. Da gleiten Schmerlen Und blasen Perlen; Ihr schneller Lauf Geht bald hinnieder Und bald herauf Zur Fläche wieder. Nein, schön’re Auen, Als rings umher Die Blicke schauen, Sind nirgends mehr. 21*