258 als dies Damokles einst gethan, fing Dionys zu diesem Schmeichler an: „So sehr mein Glück dich eingenommen, so kennst du es doch unvollkommen; 10. doch schmecktest du es selbst, wie würde dich's erfreun! Willst du einmal an meiner Stelle sein?“ „Von Herzen gern!“ fallt ihm Damokles ein. Ein gold’ner Stuhl wird schnell für ihn herbeigebracht. Er sitzt und sieht auf beiden Seiten 15. der Hohen größte Herrlichkeiten, die Stolz und Wollust ausgedacht. Von Purpur prangen alle Wände, Gold schmückt die Tafel aus, im Golde perlt der Wein. Ein Wink, so eilen zwanzig Hände, 20. des hohen Winkes wert zu sein. Ein Wort, so fliegt die Menge schöner Knaben und sucht den Ruhm, dies Wort vollstreckt zu haben. Von Wollust süß berauscht, von Herrlichkeit entzückt, schätzt sich Damokles für beglückt. 25. „0 Hoheit!“ ruft er aus, „könnt’ ich dich ewig schmecken!“ Doch ach, was nimmt er plötzlich wahr? Ein scharfes Schwert an einem Pferdehaar, das an der Decke hängt, erfüllt sein Herz mit Schrecken; er sieht die drohende Gefahr 30. nah über seinem Haupte schweben. Der Glückliche fangt an zu heben; er sieht nicht mehr auf seines Zimmers Pracht, nicht auf den Wein, der aus dem Golde lacht; er langt nicht mehr nach den schmackhaften Speisen, 35. er hört nicht mehr der Sänger sanfte Weisen. „Ach!“ fängt er zitternd an zu schrei’n: „Laß mich, o Dionys, nicht länger glücklich sein!“ Geliert. 161. Morgengebet. 1. -O wunderbares, tiefes Schweigen, wie einsam ist's noch ans der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, als ging der Herr durchs stille Feld.