171 Sind wir nicht Brüder und Boten eines Vaters?“ So sprach er. Da glänzte das Auge des Todesengels, und zärtlicher um¬ fingen sich die brüderlichen Genien. F. A. Krummaclier. 64. Die drei Freunde. Traue keinem Freunde, worin du ihn nicht geprüft hast; an der Tafel des Gastmahls giebt es mehr derselben, als an der Thür des Kerkers. Ein Mann hatte drei Freunde. Zwei derselben liebte er sehr; der dritte war ihm gleichgiltig, ob dieser es schon am redlichsten mit ihm meinte. Einst ward er vor Gericht gefordert, wo er unschuldig, aber hart verklagt war. „Wer unter euch, sprach er, will mit mir gehen und für mich zeugen? Denn ich bin hart verklagt worden, und der König zürnet." Der erste seiner Freunde entschuldigte sich sogleich, daß er nicht mit ihm gehen könne wegen anderer Geschäfte. Der zweite begleitete ihn bis zur Thür des Richthauses; da wandte er sich und ging zurück aus Furcht vor dem zornigen Richter. Der dritte, auf den er am wenigsten gebaut hatte, ging hinein, redete für ihn und zeugte von seiner Unschuld so freudig, daß der Richter ihn losließ und beschenkte. Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt; wie betragen sie sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht fordert? Das Geld, sein bester Freund, verläßt ihn zuerst und geht nicht mit ihm. Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn bis zur Thüre des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser. Der dritte, den er im Leben oft am meisten vergaß, sind seine wohlthätigen Werke. Sie allein begleiten ihn bis zum Throne des Richters; sie gehen voran, sprechen für ihn und finden Barmherzigkeit und Gnade. Herder. 65. Die Stellvertreter. Ein reicher Jüngling zu Rom hatte krank gelegen an einem schweren Übel; endlich genas er und ward gesund. Da ging er zum ersten Male hinaus in den Garten und war wie neugeboren und voll Freude und lobte Gott mit lauter Stimme. Und er wandte sein Antlitz gen Himmel und sprach: „O du Allgenugsamer, könnte ein Mensch dir etwas vergelten, wie gern wollte ich alle meine Habe geben!" Solches hörte Hermas, genannt der Hirte, und sprach zu dem reichen Jüngling: „Von oben kommt die gute Gabe; dahin vermagst du nichts zu senden. Komm, folge mir!" Der Jüngling folgte dem frommen Greise, und sie kamen in eine dunkle Hütte, daselbst war eitel Jammer und Elend. Denn der Vater