156 nur ein wenig in den Ohren brauste oder das Herzwasser lief mir!" Als er zum Doktor kam, nahm ihn dieser bei der Hand und sagte ihm: „Jetzt erzählt mir denn noch einmal von Grund aus, was Euch sehlt!" Da sagte er: „Herr Doktor, mir fehlt gottlob nichts, und wenn Ihr so gesund seid wie ich, so soll's mich freuen." Der Doktor sagte: „Das hat Euch ein guter Geist geraten, daß Ihr meinem Rat gefolgt seid. Der Lindwurm ist jetzt abgestanden. Aber Ihr habt noch Eier im Leib; deswegen müßt Ihr wieder zu Fuß heimgehen und daheim fleißig Holz sägen, da's niemand sieht, und nicht mehr essen, als Euch der Hunger ermahnt, damit die Eier nicht ansschlupfen, so könnt Ihr ein alter Mann werden," und lächelte dazu. Aber der reiche Fremdling sagte: „Herr Doktor, Ihr seid ein seiner Kauz, und ich versteh' Euch wohl," und hat nachher den Rat befolgt und 87 Jahre, 4 Monate, 10 Tage gelebt, wie ein Fsich im Wasser so gesund, und hat alle Neujahr dem Arzt 20 Dub¬ lonen zum Gruß geschickt. 106. Der Husar in Neiße. Als im Anfang der französischen Revolution die Preußen mit den Franzosen Krieg führten und durch die Provinz Champagne zogen, dachten sie nicht daran, daß sich das Blättlein wenden könnte, und daß der Franzos noch im Jahr 1806 nach Preußen kommen und den ungebetenen Besuch wett machen werde. Denn nicht jeder führte sich auf, wie es einem braven Soldaten in Feindesland wohl ansteht. Unter andern drang damals ein brauner preußischer Husar, der ein böser Mensch war, in das Haus eines ftiedlichen Mannes ein, nahm ihm all sein bares Geld, so viel war, unb btei Geldeswert, zuletzt auch noch das schöne Bett mit nagelneuem Überzug und mißhandelte Mann und Frau. Ein Knabe von acht Jahren bat ihn knieend, er möchte doch seinen Eltern nur das Bett wieder geben. Der Husar stößt ihn unbarmherzig von sich. Die Tochter läuft ihm nach, hält ihn am Dolman fest und fleht um Barmherzigkeit. Er nimmt sie und wirst sie in den Sodbrunnen, der im Hofe steht, und rettet sei¬ nen Raub. Rach Jahr und Tagen bekommt er seinen Abschied, setzt sich in der Stadt Neiße in Schlesien, denkt nimmer daran, was er einmal verübt hat, und meint, es sei schon lange Gras darüber ge¬ wachsen. Allein was geschieht im Jahr 1806? Die Franzosen rücken in Neiße ein; ein junger Sergeant wird abends einquartiert bei einer braven Frau, die ihm wohl auswartet. Der Sergeant ist auch brav,