64 A. Erzählende Prosa. IV. Sagen und Legenden. nachdenklich in die Flamme des Herdes, da ließen sich den Bergpfad herauf Tritte von Roß und Mann hören. Berthulf hielt einen ellen¬ langen Kienspan ins Feuer und ging mit dem lodernden Brande in die dunkle Waldung vor sein Haus hinaus. Da kam ihm ein stattlicher, geharnischter Mann entgegen, aber ohne Helm, welcher ihm wohl im heißen Treffen mochte zerhauen worden sein; denn statt dessen war ein blutiges Tuch um den Kopf gebunden. Hinter ihm ragte noch eine hohe Gestalt hervor, eine spitzige Sturmhaube über dem dunkeln Haar, an der Hand ein Roß führend, aus dessen ängstlichem Schnaufen sich abnehmen ließ, daß es wund sei. „Ist hier wohl Raum für uns und für mein Pferd?" fragte der Zweite; „denn wo das bleibt, da - bleibe ich auch; wir Beide sind Gesellen in Noth und Tod." — „Ja wohl," sagte Berthulf, lud die Gäste freundlich in sein Haus und be¬ reitete für das Pferd eine gute Streu und eine volle Krippe; die Gäste setzten sich indes um das Feuer. Die beiden Kriegsleute schienen in tiefe Gedanken versunken, während die Hüttenbewohner ihre Gäste um so achtsamer betrachteten. Daß Beide Sachsen waren, zeigte ihre Gestalt, Tracht, Bewaffnung und Sprache. Ueber großen blauen Augen rollte das gelbe Lockenhaar des Einen aus dem blutigen Kopftuche auf die königliche Stim herunter. Der Andere sah finster aus und war dunkel von Haar und Bart. Indes kam die Hausfrau mit einem Kruge Meth gegangen und reichte ihn den Gästen, indem sie mit der Hand das Zei¬ chen des Kreuzes darüber machte, wie sie bei jedem Genusse von Speise und Trank gewohnt war. Da sahen die Fremden einander mit finsteren Blicken an, und der mit dem blutigen Kopftuche sprach: „Ich meine, wir sind unter Christen gekommen, unter Abtrünnige vom Glauben der Väter; denn unsere Wirthin machte ein Zeichen, das ich von sterbenden Franken oft habe machen sehen." — „Ich glaube es auch," erwiderte der Andere, „und wir werden hier wohl noch ein Nachspiel der Schlacht halten müssen." Darüber wurde die Frau sehr blaß und sprach: „Ihr lieben Herren, thut uns und unserem armen Hause kein Unrecht an! Das Zeichen, welches ihr gesehen habt, soll nur den Hammer des großen Asathor bedeuten." Sie wußte nämlich um das Heidenthum nur noch allzugut Bescheid, weil sie erst vor wenigen Jahren daraus be¬ kehrt worden war. Die Gäste beruhigten sich damit und tranken den Meth, während der Knabe die Mutter heimlich zupfte und ihr zuflüsterte: „Mutter, was soll denn das Hammerzeichen? Ich weiß ja von keinem Hammer." Sie aber gebot ihm zu schweigen und suchte die furchtbaren Fremden auf andere Gedanken zu bringen. Unterdes war Berthulf, der einstweilen mit dem Pferde beschäftigt gewesen war, an den Herd zurückgekommen, und als er sah, daß die Gäste nur aus einem Kruge tranken, hielt er es ihrem ritterlichen An¬ sehen nicht für ehrenvoll genug. Er ging nach einem Wandschranke, um ein altes, schönes Trinkhorn zu holen, das der Schatz seines Hauses war. Dabei kam er an einem Kreuzesbilde des Herrn vorbei und neigte sich nach seiner Gewohnheit ehrerbietig davor. In demselben Augen¬ blicke hatte der Knabe Reisich in das Feuer geworfen, so daß es höher emporschlug und mit seinem Scheine eben die Stelle des Bildes erleuch-