265 Es war am letzten Tage des Monats Juli, als der König seine Residenz verließ, um sich an die Spitze des Heeres zu stellen, das schon an die französische Grenze gerückt war. Vormittags hatte er noch den Gottesdienst im Dom besucht. Als in der Stadt bekannt wurde, daß der König zur Armee abreisen wolle, da sammelte sich das Volk um seinen Palast. Gegen Abend bestieg der hohe Herr mit seiner Gemahlin einen offenen Wagen und fuhr zweispännig die breite Straße entlang, welche nach dem Bahnhöfe führt. Was für ein Anblick war das! Von dem Palaste an standen die Zuschauer durch alle Straßen Kopf an Kopf. Ein vieltausendstimmiges, brausendes Hoch und Hurra empfing den greisen, aber rüstigen Heldenkönig. Er trug seinen Soldatenmantel und eine Feldmütze. Mit ernstem Antlitze saß er im Wagen und dankte durch stilles Neigen des Hauptes auf den jubelnden Zuruf des Volkes. Die Königin war von den Zeichen der Liebe und Verehrung tief ergriffen. Ein Strom von Menschen umwogte Schritt um Schritt das Königspaar. Daher konnte der Wagen nur langsam fahren, so dicht stand die Menge. Jeder wollte den geliebten König noch einmal sehen, ihm einen Gruß zum Abschied zurufen und glückliches Wiedersehen wünschen. Das Herz des Landes zog mit dem königlichen Feldherrn hinaus in die Ferne. Man weinte vor Wehmut und jubelte vor Be¬ geisterung. Von den Dächern wehten die Fahnen, aus den Fenstern grüßte man mit Tüchern, und zum Himmel stieg aus tausend Herzen die Bitte um Sieg und frohe Heimkehr des Königs. Wer auf dem Bahnhof einen Platz gefunden hatte, hörte schon von fernher den Hurraruf. So kam der königliche Wagen heran und fuhr durch die Tausende hindurch, welche ent¬ blößten Hauptes des Königs harrten. Die Liebe des Volkes hatte den Weg im Bahnhof bis zum Eingang des Warte¬ saales mit Blumen und Kränzen geschmückt. Die preußischen und norddeutschen Fahnen wehten darüber, und zwischen ihnen leuchtete dem königlichen Helden auf weißer Tafel, die mit Eichenlaub bekränzt war, der Gruß: „Mit Gott!" entgegen. Als der König aus dem Wagen stieg, erscholl weithin ein donnerndes Hoch, ein Hurra, dem man es anhörte, daß das Volk, welches so seinen scheidenden König grüßte, mit Leib und Leben zu ihm stehen wolle.