Auf den höchsten, schneeschimmernden Gipfel des thessa- lischen*0 ly mp s verlegten die alten Griechen den Herrschersitz ihrer Götter. Dort hat ihnen Hephästus ihre Gemächer ge¬ baut, dort halten sie ihre Gelage bei Nektar und Ambrosia 5 und beraten über die Angelegenheiten der Welt; von dort eilen sie zugleich hernieder, um die Opfergaben dankbarer Sterblicher entgegenzunehmen und befreundete Menschen in Kampf und Not zu unterstützen. An der Spitze der himmlischen Götter steht der das io ganze Weltall beherrschende Zeus (Júpiter). Er ist als der eigentliche Himmelsgott der Vater alles Lebens in der Natur, dessen gnädige Hand Segen und Fülle in Feld und Flur spendet. Er sammelt und zerstreut die Wolken, schleudert Blitze, er¬ regt den Donner, sendet Regen, Hagel und Schnee und den 15 befruchtenden Tau auf die Erde hinab. Mit seiner Ägis*, einem unzerbrechlichen Schilde, in dessen Mitte das schreck¬ liche Haupt der Gorgo’ befestigt ist, erregt er Sturm und Unwetter. — Wie in der Natur, so herrscht Zeus auch in der Welt der Menschen. Von ihm haben die Könige auf 20Erden ihre Herrschaft; er waltet in den Rats- und Volksver¬ sammlungen, denen er weise Beschlüsse eingibt, und wacht über die Heilighaltung des Eidschwurs. Nicht minder aber schirmt er die Landesgrenzen und begleitet als siegverleihen¬ der Gott die zu deren Schutze ausziehende Landesjugend. 25 Er ist auch der besondere Hort und Beschützer der Familie. An seinem Altar, der gewöhnlich in der Mitte des Hofes seinen Platz hat, finden alle Fremdlinge, alle Flüchtigen und Schutzflehenden Hilfe und Beistand. Zeus' Gemahlin ist die Himmelskönigin Hera (Juno), die 30 den Regenbogen und die Wolken in ihrem Dienste hat. Die Dichter rühmen ihren erhabenen Wuchs und ihre groben, ge¬ bietenden Augen. Sie ist die Stifterin und Wächterin der Ehe. Ihr Gefolge bilden die Horen, die Göttinnen der Jahreszeiten und Stunden, und Hebe, die Göttin der Jugend. 35 Zeus’ geliebteste Tochter ist die „helläugige" Pallas Athene (Minèrva), die Göttin der Weisheit und des Ver¬ standes, die den Menschen alles Wissen und alle Erkenntnis gibt. Sie lehrt die Künste des Friedens und läßt die Früchte in Gärten und Feldern, insbesondere die Ölbäume gedeihen. Sie 40 ist zugleich die mit Schild, Helm und Lanze bewehrte Göttin