12 J und mich von neuem bestehlen. Daher befahl er seinen Dienern den Leichnam aus der Falle zu lösen und ihn an die Mauer des Schatzhauses zu hängen. Dann sollten sie gut achtgeben, und sähen sie einen von den Vorübergehenden weinen oder klagen, so sollten sie denselben ergreifen und vor den Stuhl des Königs führen; denn das wäre sicher der Dieb. 2. Unterdessen war der Bruder des Toten heimgekehrt und hatte seiner Mutter erzählt, welch ein Unglück geschehen war. Die Mutter war sehr Zornig aus den Brudermörder und drohte ihm, wenn er ihr nicht den Leich¬ nam seines Bruders verschaffe, damit man ihn begraben könnte, so werde sie dem König Nhampsinit alles verraten. Da besann sich der Sohn, bis er ein Mittel fand. Er belud ein paar Esel mit Schläuchen voll Wein und trieb sie abends an der Mauer vorbei, an welcher seines Bruders Rumpf hing. In der Nähe der Wachen angekommen bohrte er heimlich ein kleines Loch in den einen Schlauch, so daß der Wein auf den Boden zu rinnen begann. Als die Wachen das bemerkten, liefen sie lachend herbei, fingen den Wein mit Näpfen und Krügen aus und tranken ihn aus. Der Eseltreiber that zuerst, als ob er sehr ärgerlich wäre, und schalt die Wächter; dann aber machte er gute Miene zum bösen Spiele und trank selber mit. Ja, er schien bald so guter Laune zu sein, daß er noch einen zweiten Schlauch zum besten gab und noch einen dritten und vierten, bis alle die Wächter vom süßen Weine berauscht zu Boden sanken und fest einschliefen. Mittlerweile war es dunkle Nacht ge¬ worden; jetzt schlich der schlaue Dieb leise zur Mauer, nahm seinen toten Bruder herab und lud ihn auf einen der Esel. Darauf ging er zu jedem ein¬ zelnen der schlafenden Wächter, schor jedem von einer Hälfte des Gesichts Schnurrbart und Backenbart ab und trieb dann erst die Esel zu seiner Mutter heim. Als am Morgen die Soldaten von ihrem Rausch erwachten, war der Rumps von der Mauer verschwunden; um sie aber hatte sich eine Menge Volks versammelt und machte sich über ihre halbrasierten Gesichter lustig. Voll Scham und Furcht gingen sie zum Könige und meldeten ihm das Geschehene. Nhampsinit fuhr sie hart an, aber er mußte über den neuen Streich des frechen Diebes herzlich lachen. „Den geschickten Gauner will ich kennen lernen," sprach er, „es koste, was es wolle." Daher ließ er in der ganzen Stadt durch Ausruf verkünden, der König wolle den Dieb seiner Schätze nicht bestrafen, sondern noch reich belohnen, wenn er käme und ihm gestände, wie er in das Schatzhaus gedrungen sei. Da kam der schlaue Sohn des Baumeisters und erzählte dem König die ganze Geschichte; dieser aber sprach: „Ich gebe dir meine Tochter zur Frau; denn wir Ägypter sind zwar schlauer als andere Leute, aber du bist von den Ägyptern der allerschlauste.".