Aus dm Narmrt zur erste« Austage. Seit dem Beginne der Friedensjahre vereinigte sich Liebe zur Jugend, hervor^ gegangen aus der Anschauung, daß in ihr die Hoffnung des Vaterlandes gro߬ gezogen werde, mit dem Sinne für deutsches Wesen und die herrlichen Offen¬ barungen deutschen Geistes in Volkstum, Wissenschaft und Sprache, um dem deutschen Unterrichte eine allgemeine Teilnahme in Wort und That wie kaum einem anderen Lehrgegenstande zuzuwenden. Beratungen, methodische Vorschläge, Versuche und Sammlungen drängten einander mit solcher Hast, daß die Zeit zu besonnener Würdigung und Sichtung zuweilen gebrechen, manches Vortreffliche durch die einander überstürzenden Bestrebungen der angemessenen Verwertung ent¬ zogen werden mußte. Ein Ergebnis aller dieser Bemühungen für die Entwicklung des deutschen Unterrichts ist indes bereits zum unbestrittenen Besitze und zum Gemeingut geworden: die methodische Behandlung der deutschen Sprache als eines lebendigen organischen Ganzen. Die Jugend frisch hineinzuführen in den lebendig flutenden Strom der Sprache, sie durch Rede und Unterredung, durch Lesen und Erfassen des Gelesenen, durch den Wechsel mannigfaltiger Übungen im Ausdruck des Gedachten, durch Anschauung der Meister der Sprache und durch anfangs unterstützte, nach und nach selbständigere Versuche in deren Nachahmung das be¬ wegliche Element bemeistern zu lehren, das ist jetzt die Losung des deutschen Unter¬ richts. Er ist rein geistige Gymnastik, durch welche das Sprachtalent nach den gegebenen Gesetzen des Denkens sich ebenso unmittelbar zu korrekter, gewandter Darstellung entfalten soll, wie im Sinne antiker Humanität durch die Gymnastik der körperliche Habitus auf freiem, praktischem Wege zu ästhetischer Vollendung geführt werden sollte. Aus dieser Auffassung der deutschen Unterrichtsstunden als einer Ringschule für die formale Geistesbildung behufs Aneignung der Muttersprache nach natürlichen Gesetzen entspringt aber der ansehnliche Gewinn, daß der deutsche Unterricht die reichste Ausbeute für die allgemein menschliche Entwicklung liefern, daß er vermöge des gewaltigen Einflusses, den die Muttersprache als die gro߬ artigste Vermittlerin des Inneren und der Außenwelt ausübt, als Gemeingebiet aller Bildungselemente betrachtet werden kann. Als Übungsmittel aller geistigen Kräfte hat die Muttersprache einen universellen Charakter, und einen solchen ver¬ leihen wir also auch dem deutschen Unterrichte, indem wir ihn von den Fesseln streng schematischer Behandlung losreißen und ihm die Entfaltung aller geistigen Elemente, insofern sie an das Medium der Muttersprache geknüpft ist, als höchsten Zweck zuweisen. Wie sehr diese Auffassung des deutschen Unterrichts die Beschaffenheit der in der letzten Zeit entstandenen Lesebücher bereits bestimmt habe, lehrt eine auch nur oberflächliche Bekanntschaft mit diesem Zweige der Schullitteratur. Die vorliegende Arbeit macht auch nur auf den Namen eines an andere frühere sich anschließenden und auf sie gestützten Versuches Anspruch. Die nächste Veranlassung zu demselben boten uns die Verhandlungen der westfälischen Direktoren-Konferenzen von 1832