3200 Wenn alle untreu werden. Wenn alle untreu werden, So bleib' ich dir doch treu, Daß Dankbarkeit auf Erden Nicht ausgestorben sei. Für mich umfing dich Leiden, Vergingst für mich in Schmerz; Drum geb' ich dir mit Freuden Auf ewig dieses Herz. Oft muß ich bitter weinen, Daß du gestorben bist, Und mancher von den Deinen Dich lebenslang vergißt. Von Liebe nur durchdrungen, Hast du so viel gethan, Und doch bist du verklungen, Und keiner denkt daran. Du stehst voll treuer Liebe Noch immer jedem bei, Und wenn dir keiner bliebe, So bleibst du dennoch treu; Die treuste Liebe sieget, Am Ende fühlt man sie, Weint bitterlich und schmieget Sich kindlich an dein Knie. Ich habe dich empfunden, O, lasse nicht von mir! Laß innig mich verbunden Auf ewig sein mit dir! Einst schauen meine Brüder Auch wieder himmelwärts Und sinken liebend nieder Und fallen dir ans Herz. 112. Clemens Brentano. Geb. 1778 in Frankfurt a. M., Sohn eines reichen Kaufmanns; gest. 1842. Ein Meister de wie Rückert und Platen. Ueppige, ungezügelte Phantasie. Seine Muse die Caprice. „Geschichte braven Kasperl und der schönen Annerl.“ „Gockel, Hinkel und Gackeleia“ (ein Märchen). Die Mutter sang. Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigal, Das war wohl süßer Schall, Da wir zusammen waren. Ich sing' und kann nicht weinen Und spinne so allein Den Faden klar und rein, So lang der Mond wird scheinen. Da wir zusammen waren, Da sang die Nachtigal, Nun mahnet mich ihr Schall, Daß du von mir gefahren. 9 So oft der Mond mag scheinen, Gedenk' ich dein allein Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen. Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigal, Ich denk' bei ihrem Schall, Wie wir zusammen waren. Gott wolle uns vereinen, Hier spinn' ich so allein, Der Mond scheint klar und rein, Ich sing' und möchte weinen! Gockels Teichenrede auf Alektryo. Alle Anwesenden weinten, Gockel legte das Haupt zu dem Leibe auf den Sche terhaufen der Gebeine Gallinas; alle Vogel brachten noch dürre Reifen und e sie darum her, da steckte Gockel die Reiser an und verbrannte alles zu Asche: n den Flammen aber sah man die Geftalt eines Hahnes wie ein goldenes Wöllche durch die Luft davonschweben. Nun begrub Gockel die Asche und deckte den Sten mit der Schrift wieder mit Erde zu und hielt dann eine herrliche Leichenrede die Verdienste Gallinas und besonders Alekerhos, wie des len Hahnengeschlechte⸗ überhaupt. Nachdem er die Herkunft Alektryos von dem Hahne Hiobs nach det Erzählung Urgockels mitgetheilt hatte, sprach er unten anderent „Wer gibt die Weisheit ins verborgene Herz des Menschen, wer gibt den Hahnen den Verstand? Gleichwie der Hahn den Tag verkündet und den Menschel vom Schlaf erweckt, so verkünden fromme Lehrer das Licht der Wahrheit in die