356 J Büchse des bettelnden Blinden, die jede Art von Münze ohne Unterschied aufnimmt und sich ebensoleicht mit dem Falschen und Untauglichen, als mit dem Brauchbaren füllt. Auch der lebhafteste Geist ist bisweilen träge, und der fruchtbarste Boden erscheint oft tot, wenn er nicht zum Erzeugen aufgefordert wird. Es ist aber wohl 5 schwerlich irgend ein Kopf, in welchem nicht eigene Gedanken ruhten, so wie es keinen Körper gibt, der nicht einige Wärme und elektrischen Stoff enthält. Reibe ihn nur auf die rechte Weise, und du wirst ihm schon Wärme abgewinnen und Funken ziehen. Ein gedankenreiches Buch ist das beste Reibzeug, und die Feder der beste Konduktor. Haben die Gedanken einmal den rechten Weg gefunden, so folgen sie sich schnell, und io du hast die stille Freude der Autorschaft ohne ihre Kümmernisse. Der erste Erfolg stärkt den Mut und die Kraft, und du wirst dein Kapital unter den Augen wachsen sehen. Es steht in deiner Gewalt, es jeden Tag zu vermehren, und du wirst dir dabei keinen Geiz vorwerfen dürfen. Was du davon ausgibst, kommt dir mit Zins zurück, und die bestes Köpfe arbeiten fiir dich. Je früher du anfängst, desto besser. Spare '5 in der Zeit, so hast du in der Not. Bleibt die Not aus, so hast du für dein Ver¬ gnügen; aber sie kommt sicher, wenn du die Hand in den Schoß legst Sage nicht: „Ich bin versäumt worden, als ich jung war; jetzt bin ich zu alt"- Diese Ausrede ist auch eine Eingebung der Trägheit, die, in der Jugend genährt, freilich im Alter nicht abnimmt. Für den, der recht anfängt, ist es nie zu spät- ««Auch sollst du nicht sagen: „Ich habe in meiner Jugend um Bildung gearbeitet; nun ist's genug an dem, was ich mir damals erworben habe". — Hättest du recht darum gearbeitet, so würdest du dir ein weiteres Ziel gesteckt haben und nicht so selbstgenügsam am Wege sitzen. Arbeitest du nicht an dir fort, so arbeitet die Zeit gegen dich. Das Werkzeug, das du nicht brauchst, frißt der Rost; und ein Schacht, sb der nicht befahren wird, verfällt. Reichtum wächst durch Verkehr; lässest du ihn liegen, so vermindert er sich, wie ein Papiergeld, das im Kurse sinkt. Wenn du im Laufe stillstehst, so kommst du zurück; denn die Zeit und Welt schreitet unaufhaltsam vor. Wenn du also einen Grund gelegt hast, so baue darauf fort, bis du unter Dach bist; aber du kannst sicher glauben, daß es erst jenseits des Grabes soweit so kommen wird. Laß dich demnach nie träge finden. Was dich in deiner Jugend gefördert hat, wird dich auch im Alter fördern, und was dir die Zeit an warmem Leben entzieht, das setze du selbst durch vermehrte Bewegung und erhöhte Tätigkeit zu. In einem Acker, den der Frost des Winters durchkältet hat, muß der Pflug ttefer gehen; und eine Krankheit im Alter verlangt eine kräftigere Nachkur. Übrigens 35 gibt es ja wohl überhaupt keine Zeit, wo du ein Recht hättest, die Kräfte, welche dir Gott verliehen, ungenutzt zu lassen. 113. Heinrich Zschnkke. Geb. 22. März 1771 in Magdeburg; wanderte als Jüngling mit Schauspielern als Schauspieldichter umher, studierte 1790 in Frankfurt a./O. Theologie, hielt ästhetische und philosophische Vorlesungen; «o ging 1796 in die Schweiz, war dort zuerst Lehrer in Reichenau, bekleidete später hohe Ämter, lebte seit 1800 in Bern, seit 1801 in Aarau; gest. 27. Juni 1848. Erbauliches: .Stunden der An¬ dacht.^ Geschichtliches: »Geschichte des Schweizerlandes.* »Novellen und Erzählungen* (z. B- »Alamontade", .Flüchtling im Jura', .Freihof von Aarau', .Die Bohne', .Das Goldmacher¬ dorf", .Der Irrtum' u. v. a.). .Selbstschau.' 45 lSiehe auch: Bd. I, Nr. 90, S. 112 (Max Stolprian); Nr. 297, S. 354 (Die drei Söhne eines Bettlers).) Aus der „Selbstschau". Selbstschau. Aarau 18^9. 5. 138. Der Krieg zwischen Österreich und Frankreich war ausgebrochen. Maffena hatte sich . 5o im Februar 1799, nach verwüstenden Gefechten, Graubündens wieder bemächtigt. Eine H