200 Prosa. C. Sagen. da war es so herb und hitzig, daß es ihnen allen die Hände verbrannte. Dies hatten sie auch, üon der großen Kraft des Salzkrautes unterrichtet, wohl überlegt, jedoch es nicht gewagt, sich mit Handschuhen zu versehen, weil der Sommer so gar heiß war und sie fürchteten, man möchte ihrer spotten. Nun meinten einige, man sollte es abmähen wie das Gras, andere, weil es so gar hitzig wäre, so sollte man es mit der Armbrust niederschießen wie einen tollen Hund. Das letzte gefiel ihnen am allerbesten. Weil sie aber keinen Schützen unter sich hatten und befürchteten, wenn sie nach einem Fremden schickten, möchte ihre Kunst verraten werden, so ließen sie es bleiben. Kurzum, die Schildbürger mußten das edle Salzkraut auf dem Felde stehen lassen, bis sie einen besseren Rat fänden. Und hatten sie zuvor wenig Salz gehabt, so hatten sie jetzt noch weniger; denn was sie nicht verbraucht hatten, das hatten sie ausgesät. Deswegen litten sie großen Mangel an Salz, zumal am Salze der Weisheit, das bei ihnen ganz dünn geworden war. Daher zerbrachen sie sich auch den Kopf darüber und sannen nach, ob etwa der Acker nicht recht gebaut worden, und hielten viele Ratssitzungen darüber, wie man es ein andermal besser machen könnte. 40. Der Mönch von Heisterbach. Von W. O. von Horn. „Der Rhein." Wiesbaden 1867. Es war in einer Zeit, da in den Klöstern viele nach dem Worte Gottes fragten, verlangten und über seinen Sinn und sein Verständnis brüteten, als im Kloster Heisterbach ein junger, wohlunterrichteter Mönch lebte, der Tag und Nacht über der Vulgata saß und ihren Sinn zu erfassen trachtete. Er grübelte und knöchelte. Dem jungen Mönche machte denn besonders die Stelle, darin es heißt, „daß tausend Jahre vor dem Herrn seien wie eine Nachtwache", viele Gedanken, und er konnte das nicht recht begreifen und fing an zu zweifeln. Er war eine grundehrliche Seele, der es recht angelegentlich um die Wahr¬ heit zu tun war. Nachdem er wieder einmal lange gegrübelt, wurde es ihm zu enge in seiner kleinen Zelle. Er trat in den schönen Klostergarten, und auch da, wandernd unter frischem Grün und heller Blumenpracht, beschäftigte sich sein Geist mit diesem Worte in dem Maße, daß er, ohne es zu merken, den Klostergarten verließ und in dem Wald hinter dem Kloster fortging und immer weiter sich durch die Felsen hindurchwand, — wie lange — das wußte er ebensowenig, als ihn jemand im Kloster hatte hinausgehen sehen. Plötzlich aber klingt silberhell das Klosterglöcklein an sein Ohr, welches die Brüder zur Vesper ruft. Da macht er sich auf, und eilenden Schrittes erreicht er des Klosters Pforte, wo er die Glocke eifrig zieht, damit er zu der Abendgebet¬ stunde nicht zu spät kommen möge. Der Pater Pförtner öffnet, aber sie sehen sich einander staunend an; denn beide kennen sich nicht, obgleich der heimkehrende Bruder erklärt, erst vor kaum einer Viertelstunde den Klostergarten verlassen zu haben.