260 er Trotz bieten. Wehe jedem Nebenbuhler, der es wagt sich unter seine Hühner zu mischen, und wehe jedem Menschen, der es wagt in seiner Gegenwart ihm eine seiner Geliebten zu rauben! Alle seine Gedanken weiß er durch verschiedene Töne und verschie¬ dene Stellungen des Körpers auszudrücken. Bald hört man ihn mit lauter Stimme seine Lieben rufen, wenn er ein Körnchen ge¬ funden hat — er teilt mit ihnen jeden Fund — bald sieht man ihn in einem Eckchen kauern, wo er eifrig bemüht ist ein Ne stehen für die Henne zu bilden, die er vor allem liebt. Jetzt zieht er an der Spitze seiner Schar, deren Beschützer und Führer er ist, hinaus ins Freie; aber kaum hat er hundert Schritte getan, so hört er vom Stalle her den freudigen Ruf einer Henne, welche ver¬ kündet, daß sie ein Ei gelegt hat. Spornstreichs kehrt er zurück, begrüßt sie mit zärtlichen Blicken, stimmt in ihren Freudenruf ein und eilt dann in vollem Laufe dem ausgezogenen Heere nach um sich wieder an dessen Spitze zu stellen. Die geringste Ver¬ änderung der Luft fühlt er und verkündet sie durch ein lautes Krähen. Gleicherweise verkündet er auch den anbrechenden Morgen und weckt den fleißigen Landmann zu neuer Arbeit. Ist er auf eine Mauer oder ein Dach geflogen, so schlägt er die Flü¬ gel kräftig zusammen und kräht und scheint sagen zu wollen: „Hier bin ich Herr, wer wagt’s mit mir ?“ Ist er von einem Men¬ schen gejagt worden oder hat er sonst eine Gefahr glücklich be¬ standen, so kräht er wieder aus Leibeskräften und verhöhnt we¬ nigstens den Feind, dem er nicht schaden kann. Seine ganze Pracht entfaltet er, wenn er früh morgens, der langen Ruhe müde, das Hühnerhaus verläßt und vor demselben die ihm nachfolgenden Hühner freudig begrüßt. Noch schöner und stolzer erscheint er in dem Augenblicke, wo das Geschrei eines ihm unbekannten Hahnes seine Ohren trifft. Er horcht, senkt die Flügel, richtet den Kopf kühn empor, schlägt mit den Flügeln und fordert mit lautem Krähen zum Kampfe. Erblickt er den Feind, so rückt er ihm, sei er groß oder klein, mutig entgegen oder stürzt in vol¬ lem Laufe auf ihn zu. Jetzt treffen sie zusammen, die Halsfedern sind aufgerichtet und bilden einen Schild, die Augen sprühen Feuer und jeder sucht den andern niederzuschmettern, indem er mit Macht gegen ihn springt. Wer wird Sieger sein? Beide scheinen an Mut, an Kräften gleich. Jeder will ein höheres Plätz¬ chen gewinnen um von dort aus mit größerer Gewalt fechten zu können. Lange währt die Schlacht; aber immer kann sie nicht dauern. Die Kräfte nehmen ab und es tritt eine kurze Ruhe ein; aber mit gesenktem Haupte, zu Kampf und Angriff jederzeit be¬ reit, mit dem Schnabel Erdkrümchen aufpickend, als wollten sie den Feind dadurch verhöhnen, daß sie mitten im Kampfe sich’s wohl schmecken lassen, stehen sie einander gegenüber. Kaum