118. Hartmann von Siebeneichen. Aus „Deutsche Geschichte" von A. Cl. Lcheiblhuber. (Nach der Chronik des Otto von St. Blasien.) Im Jahre 1116 kam Kaiser Friedrich aus dem Heimwege von Italien in die Stadt Susa, die am Fuße der Alpen liegt. Alle anderen Alpenpässe hatten ihm die Lombarden versperrt. Auch die Bürger von Susa hielten zu den Lombarden; sie nahmen zwar den Kaiser mit wenigen Begleitern in ihre Mauern auf, schlossen aber das größere Gefolge aus. Doch wollten sie ihn ungehindert ziehen lassen, wenn er die mitgenommenen Geiseln der lombar¬ dischen Städte freigeben würde. Friedrich aber ließ einen dieser Geisel als Verräter hinrichten. Da beschlossen die erbitterten Bürger, den Kaiser hinterlistig iiu Schlafe zu ermorden. Schon war die Nacht angebrochen, in welcher der Überfall ausgeführt werden sollte. Der reiche Bürger, in dessen Haus der Kaiser mit den Seinigen wohnte, scheute sich jedoch, die Heiligkeit der Gastfreundschaft zu verletzen. Obgleich er ein treuer An¬ hänger der italienischen Freiheit war, teilte er seinem Gaste heimlich den Mordauschlag mit und riet ihm ztir schleunigen Flucht. Schon hatten die bewaffneten Bürger sich zu Häufelt gesammelt, alle Ausgänge waren besetzt und die Tore stark bewacht. Sogar die welschen Diener im Hause wußten um das Geheimnis uni) gaben acht, daß der Kaiser nicht entrinne. Ta erbot sich der Ritter Hart- llianit voit Siebeneichen, sein Leben für den Kaiser hinzugeben. Gr war Friedrichs Kämmerer lind ihm an Gestalt ähnlich. Heimlich wurde alles geordnet. In die kaiserlichen Gewänder gehüllt, schritt der mutige Mann*durch das Vorzimmer, wo die welschen Kämmerlinge schlaftrunken saßen, trat in das Hchlafgemach des Kaisers lind bestieg unverzagt dessen Bett, wo er sterben sollte. Unterdessen verließ der Kaiser, als Diener verkleidet, mit zwei Rittern das Haus. Ungehindert kam er durch die Bürger, auch am Stadttor blieb er unerkannt. Mit nur fünf Begleitern ritt er den Alpen zu; wo er rasten mußte, gab er sich für den Hausmeister eines Bischofs aus, der für seinen Herrn das Nachtlager zu bestellen hat. So erreichte er in wenigen Tagen das Freundesland. Nach Mitternacht kamen die Bürger in das Haus und suchten den Kaiser. Als die Kämmerlinge sagten, er schliefe, drangen sie mit Fackeln und gezogenen Schwertern in das Schlafgemach. Schon wollten sie den Schlafenden durchbohren, als Siebeneichen die Augen öffnete und ruhig umherschaute. Da erkannten sie die Täuschung, fielen dem Ritter zu Füßen und baten ihn um seine Fürsprache bei dem erzürnten Kaiser. Sie ließen ihn und die übrigen Deutschen ruhig abziehen; nur die lombardischen Geisel behielten sie zurück.