156 Friedrich Rückert. Doch doppelt ist der Gott, der Glaube doppelt auch, Hier selbst entglommner Trieb, dort überkommner Brauch, s Das Eigenste wird ganz nie frei vom Angenommnen, Doch übt die Eigenheit ihr Recht am Überkommnen. Man reißt das Haus nicht ein, das Väter uns gebaut, Doch richtet man sich's ein, wie man's am liebsten schaut. Und räumt man nicht hinweg ehrwürd'ge Ahnenbilder, 10 Durch Deutung macht man sie und durch Umgebung milder. Des Glaubens Bilder sind unendlich umzudeuten, Das macht so brauchbar sie bei so verschiednen Leuten. 2. „Dir -scheinet heute dies, und jenes scheint dir morgen; Das Wahre, wie es scheint, bleibt immer dir verborgen." O nein, bald seh' ich den, bald seh' ich jenen Glanz; Das vielgeteilte Licht wird nur im Wechsel ganz. Dritte Stufe. Kampf. 1. Stell dich in Reih' und Glied, das Ganze zu verstärken, Mag auch, wer's Ganze sieht, dich nicht darin bemerken. Mag auch, wer's Ganze sieht, dich nicht darin bemerken; Das Ganze wirkt, und du bist drin mit deinen Werken. 5 Stell dich in Reih' und Glied, und schare dich den Scharen; Und teilst du nicht den Ruhm, so teilst du die Gefahren. Wird nicht der Musterer den Einzelmann gewahren, Mit Lust doch wird er sehn vollzählig seine Scharen. Damit im Lanzenwald nicht fehlet eine Lanze, io Heb deine fein, und sei gefaßt auf jede Schanze. Sei nur ein Blatt im Kranz, ein Rmg im Ringellanze, Fühl dich im Ganzen ganz und ewig wie das Ganze! 2. Dein Auge kann die Welt trüb oder hell dir machen; Wie du sie ansiehst, wird sie weinen oder lachen. Dein äußres Auge kannst du schärfen selbst und üben; O hüte dich vielmehr, dein inneres zu trüben! s Wenn rein dein innres schaut, das äußre mag erblinden, Du wirst das helle Bild der Welt im Herzen finden.